Seit Januar 2012 nominiert eine Fachjury des LSB und des OSP monatlich die besten Berliner Nachwuchssportler*innen aus Olympischen, Paralympischen und Nicht-Olympischen Einzelsportarten. Die Auswahl erfolgt geschlechterneutral – ausschließlich nach Erfolgen. Medienpartner sind die Berliner Morgenpost und Sportfanat (Video).
Der Berliner Fotograf Tilo Wiedensohler fotografiert seit zehn Jahren monatlich Berliner Nachwuchssportler*innen. Der Landessportbund Berlin hat in den vergangenen Wochen Teile des Manfred von Richthofen-Hauses umgestaltet und Flächen genutzt, um Fotografien von Tilo Wiedensohler den LSB-Mitarbeitenden und auch den Besucher*innen des Hauses zu präsentieren.
Tilo Wiedensohler, seit 2014 fotografieren Sie Berlins Nachwuchssportler und Sportlerinnen des Monats. Hätten Sie sich anfangs vorstellen können, das über einen solch langen Zeitraum zu tun?
„Wenn man einen Auftrag bekommt, dann denkt man nie an solche zeitlichen Dimensionen; das ist absurd in der heutigen Zeit. Zu der Zeit (2014) hatte ich ja noch einen Geschäftspartner, Eberhard Thonfeld, wir haben uns da oft abgewechselt. Wer gerade den Anruf angenommen hat, der hat das dann auch meist fotografiert. Zurück zu den 10 Jahren: das ist natürlich schon irre und irgendwie auch ein Stück Berliner Sportgeschichte. Im Übrigen spricht das aber natürlich auch für den Sponsor (Anmerkung der Redaktion: Berliner Sparkasse), dem die Nachwuchsförderung wohl echt am Herzen liegt.“
Nun haben Sie aus den zahlreichen Fotografien eine Auswahl treffen müssen für die Ausstellung im Manfred von Richthofen-Haus. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
„Das war immens schwer! Die erste Auswahl waren knapp 70 Motive – jetzt hängen da 22! Es gibt manchmal auch mehrere gute Portraits einer Person. Das zu reduzieren ist hart, denn irgendwann „trifft“ es auch wirklich gute Fotos…“
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie ausgewählt: nach Herz, nach Sympathie, nach fotografischer Qualität?
„Da würde ich hinten anfangen, denn als erstes war mir die fotografische Qualität wichtig, was nicht die technische Qualität bedeutet. Die sollte prinzipiell stimmen. Klar gesagt: Mir war ein ausdrucksstarkes Foto wichtiger als die Erfolge der Person. Und leider sind bei dieser Auswahl auch ein paar sehr sympathische Sportler*innen rausgefallen und auch erfolgreiche. Zudem will man auch die Bandbreite der Sportarten abbilden, dreimal Kanu, dafür kein Badminton, wäre auch nicht gut. Es ist eben wie immer bei Ausstellungen: Die Fotos müssen als Ganzes passen, was eben nicht bedeutet, dass die 22 Besten da hängen, sondern vielleicht 22 der 30 Besten.“
Herr Wiedensohler, Sie sind als Sportfotograf seit Jahrzehnten bei allen großen Sportereignissen auf dieser Welt unterwegs, haben praktisch alle großen Sportstars gesehen und fotografiert. Was geht Ihnen da durch den Kopf, wenn Sie Monat für Monat mit Berlins Nachwuchs arbeiten?
„Das ist ein sehr ambivalenter Gedanke. Einerseits großartig zu sehen, dass es ihn gibt, den sportlichen Nachwuchs und andererseits, wie schwer es doch ist, sich in die absolute Weltspitze „vorzutrainieren“. Beispiel: Durch meine langjährige Tätigkeit als Alba Berlin Fotograf habe ich die Wagner-Brüder schon früh kennen gelernt – sie waren jedoch nie Nachwuchssportler des Monats! – und plötzlich ist einer davon der bestbezahlte deutsche Sportler aller Zeiten! Unwirklich!“
Was sind bei dieser Arbeit die besonderen Herausforderungen für Sie?
„Ich habe zwischen 30 und 60 Minuten Zeit, etwa 5 bis 6 gute Portraits einer Person zu machen, die ich nicht kenne, an einem Ort, den ich oft nicht kenne und zu Lichtbedingungen, die ich oft nur bedingt beeinflussen kann. Das ist schwierig!“
Sie haben einen exzellenten Überblick über die Leistungssportszene in Berlin und auch über die Grenzen hinaus. Sie waren jetzt auch in Paris, wenn da auch speziell für ihr Steckenpferd Basketball, haben aber auch darüber hinaus Wettbewerbe besucht. Wie beurteilen sie die kommenden Berliner Sportstars und wie haben Sie es über die Jahre erlebt, viele von den jungen Talenten dann bei großen Wettbewerben wieder zu sehen?
„Da kann ich kaum Prognosen abgeben, da der spätere Erfolg von so vielen Faktoren abhängt. Es ist nicht nur Talent. Es muss fast alles stimmen. Der Talentierteste kann durch unvorhergesehene Ereignisse „aus der Bahn“ geworfen werden und ein vermeintlich mäßig talentierter 16-jähriger kann mit 23 Weltmeister sein… einzig bei der Paraschwimmerin Johanna Döhler bin ich mir irgendwie sicher, dass es da „hoch hinaus“ gehen wird, denn wer als 14-jährige Platz 9 bei den Paralympics erreicht, hat Perspektive.
Es freut mich jedoch sehr, wenn ich höre, dass SportlerInnen, die ich eben noch fotografiert habe, plötzlich Olympiamedaillen gewinnen, wie in Paris passiert, denn da hat Pauline Jagsch die Bronzemedaille gewonnen und das, obwohl sie erst im August 2021 Juniorsportlerin des Monats war.“
Was macht für Sie den Reiz beim Fotografieren der Nachwuchssportler*innen aus?
„Die Personen sind „unverbraucht“, roh, unvoreingenommen, aber oft auch schüchtern und nervös. Sie beherrschen das „Posing“ oft noch nicht, was recht angenehm ist, denn man bekommt kein Stereotyp. Gleichzeitig ist das auch schwierig, weil man ja nicht 5 Fotos machen kann, wie die Person verschüchtert vor einer weißen Wand steht… Außerdem, wie bereits oben erwähnt, ist es auch eine Art sportlicher Wettkampf für mich, denn in durchschnittlich 45 Minuten 5 verschiedene Portraits zu machen, ist anspruchsvoll. Das ist auch ein Training für mich als Fotograf.“
Was überhaupt hat Sie angetrieben Sport zu fotografieren und nicht ein anderes Sujet zu wählen?
„Ich habe hier in Berlin beim Lette-Verein meine Ausbildung zum Fotografen gemacht und wenn man da eines lernt, dann das, was einem gar keinen Spaß macht! Ich musst alles fotografieren, von Architektur über Staubsauer bis hin zu Reportagen. Da wird dir bald klar, in welche Richtung es gehen könnte – oder eben auch nicht. Und dann braucht’s halt auch immer ein wenig Zufall, denn irgendwann hing ein Zettel am Schwarzen Brett „Fotograf Aushilfe gesucht“. Und das war ein Sportfotograf, der einen Mitarbeiter für das Wochenende gesucht hat. Da ich eher für Reportagen bekannt war, hat einer meiner Lehrer gesagt, ich solle mir das doch einmal ansehen – 15 Monate später habe ich meine ersten Olympischen Spiele in Barcelona fotografiert. Paris waren die zehnten.“
Sie haben sehr viele Preise als Sportfotograf gewonnen. Wie wichtig ist es Ihnen dann jetzt, nach zehn Jahren, eine solche Ausstellung wie die im Manfred von Richthofen-Haus mitgestalten und erleben zu können, auch wenn es nur eine kleine Ausstellung ist? Und wie sehen Sie den ideellen Wert ihrer Fotografien gerade auch für die Mitarbeitenden des LSB, die diese ja tagtäglich sehen?
„Das ist großartig! In der heutigen Zeit sieht man seine Fotos immer nur auf Bildschirmen/Telefonen etc. Aber physikalische Fotos haben eine ganz andere Ausstrahlung, das ist nicht zu vergleichen, aber die Gelegenheit bietet sich eben recht selten und deshalb bin ich dem LSB auch für diese Gelegenheit dankbar. Ob es für die Mitarbeitenden einen Mehrwert hat, kann ich nur hoffen, immerhin sehen sie jetzt, für wen sie arbeiten – im übertragenen Sinn. Ohne diese Strukturen wäre ein Nachwuchssport und daraus resultierender Spitzensport ja nicht möglich.“
Quelle: www.lsb-berlin.de/