Frankfurt/Main (SID) Mike Glemser zieht nach einem folgenschweren Foul vor Gericht. Es geht um Schadensersatz – und um zukünftige Fälle schwerer Sportverletzungen?
Als Mike Glemser Ende Januar vor dem Arbeitsgerichts Weilheim um ein wenig Erleichterung kämpft, schaut nicht nur seine Familie gespannt zu. Zwei Jahre nach seinem tragischen Unfall wird die Klage des ehemaligen Eishockeyspielers gegen seinen Gegenspieler verhandelt, der ihn folgenschwer in die Bande gecheckt hatte. Könnte das Urteil Konsequenzen weit über seine Sportart hinaus haben?
„Es ist menschlich eine ganz schwierige Situation – aber rechtlich sehe ich da keinen Anspruch“, sagte Paul Lambertz, Fachanwalt für Sportrecht, dem Sport-Informations-Dienst (SID). Die Eishockeyregeln seien zwar dazu da, Spieler vor unvorbereiteten und groben Checks zu schützen, aber: „Das kann ich hier nicht erkennen und habe deshalb Zweifel daran, dass es ein Regelverstoß ist, der so gravierend ist, dass er außerhalb des Eishockeys einen Schadensersatz konstruiert.“
Eine Verurteilung nach einem Foul wäre ein Novum. Der Anwalt des Angeklagten hatte gegenüber der Sport Bild angedeutet, bei einem Schuldspruch könnten Fouls in Kontaktsportarten künftig „als Körperverletzungen ausgelegt werden“.
Der damals 25 Jahre alte Glemser hatte am 3. Februar 2023 mit seinen Starbulls Rosenheim gegen den SC Riessersee in der Oberliga gespielt, als er nach neun Minuten den verhängnisvollen Check in die Bande kassierte. Er brach sich den vierten und fünften Halswirbel, ist seither querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Im September letzten Jahres reichte Glemser Klage ein, das Landgericht II in München verwies diese an das zuständige Arbeitsgericht. Glemser fordert insgesamt 820.000 Euro, die die enormen Kosten zumindest teilweise auffangen sollen, die ihm durch seine Lebensumstellung entstehen.
„Dass Klage eingereicht wurde, ist für mich nachvollziehbar“, sagte Lambertz: „Weil offensichtlich keine außergerichtliche Einigung zustande kam, gibt es ohne Klage auch keine Chance auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Denn das bekomme ich nicht von meiner Unfallversicherung, sondern bestenfalls vom Schädiger.“
Doch große Hoffnungen sollte sich der gebürtige Stuttgarter wohl nicht machen, denn einen Check wie diesen nehme jeder Eishockeyspieler mit seiner Teilnahme am Spiel bewusst in Kauf. „Ich denke nicht, dass am Ende die Klage erfolgreich sein wird. Denn, so unfassbar tragisch der Unfall für Herrn Glemser ist, kann ich keine unerlaubte Handlung im Sinne der Rechtsordnung erkennen, die seinen Anspruch stützen würde“, sagte Lambertz. Er sehe deshalb „auch keine weitreichenden Konsequenzen für den Sport“.
Das wäre im Grunde genommen sogar in Glemsers Sinn. Immerhin war es nie seine Intention, „den Kontaktsport zu beeinflussen“, hatte er erklärt: „Jedoch werde ich mein Leben lang sehr große Einschränkungen haben, die sich – bei allem Respekt – keiner, der nicht in einer ähnlichen Lage ist, vorstellen kann.“
Laut seines Instagram-Statements aus dem September habe er außerdem zuvor erfolglos versucht, über die Haftpflichtversicherung seines damaligen Gegenspielers Schadensersatz zu erhalten. Es habe lange „kein Entgegenkommen“ gegeben. Kurz nach dem Unfall hatte der gebürtige Stuttgarter noch bekräftigt, dass den Gegner keine Schuld treffe.