Mailand/Köln (SID) Heute in einem Jahr beginnen die Olympischen Winterspiele, IOC Präsident Thomas Bach stellte in Mailand den Countdown scharf. Startklar ist Norditalien aber noch nicht.
Bach lädt auf der Bühne des vornehmen Teatro Strehler im IOC-Namen die Jugend der Welt offiziell nach Norditalien ein, nebenan erstrahlt der Hauptbahnhof in Tricolore, auf dem Domplatz tickt der Olympia-Countdown los: Am heutigen Donnerstag beginnt in Mailand die heiße Phase vor dem Riesenspektakel der Kälte. Genau ein Jahr ist es dann noch hin bis zum Beginn der Winterspiele „Milano Cortina 2026“ (6. bis 22. Februar 2026) – diese zwölf Monate werden ein Wettlauf gegen die Zeit.
Nach dem Tag im Theater drohen Bach und Co. womöglich Tage voller Theater. An der Alpen-Südseite ist nämlich längst noch nicht alles starklar. Vor allem das größte Sorgenkind von 1445 m Länge bereitet Kummer. „Der Zeitplan bleibt eng und anspruchsvoll. Wir werden die Fortschritte mit unseren Partnern eng überwachen“, hieß es auf SID-Anfrage von IOC und Organisations-Komitee zum Cortina-Eiskanal, wo eine Abnahme-Deadline Ende März zu platzen droht: „Die Sicherheit von Athleten und Zuschauern ist für das IOC von höchster Bedeutung.“
Deshalb sei für den Kanal-Neubau essenziell, das Prozedere inklusive Testrennen einzuhalten. Seit dem Tod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili bei den Spielen 2010 auf der neuen Bahn in Whistler ist das IOC alarmiert – und beobachtet das Geschehen in Cortina argwöhnisch. Niemals, so das IOC, sei eine solche Bahn, „in einem so kleinen Zeitrahmen“ gebaut worden.
Das Cortina Sliding Centre sollte im März quasi bezugsfertig sein, was wohl nicht zu halten ist. Thomas Schwab, Vorstandschef des deutschen Schlittenverbands und in die Cortina-Planung involviert, mache sich dennoch „keine große Sorge – wir haben dann noch den ganzen Sommer als Bauzeit“. Schwab verweist im SID-Gespräch auf Peking 2022 – damals stiegen die ersten Testfahrten coronabedingt im Oktober.
Der Neubau der 1956er-Olympiastrecke ist ein Zankapfel, Kritiker bezweifeln dessen Nachhaltigkeit – schon die Turin-Bahn 2006 verrottet ungenutzt. Das IOC hatte auf eine Verlegung der Eiskanal-Bewerbe ins Ausland gedrängt, das OK dies abgeschmettert. Erst seit 2024 wird gebaut, die Kosten kletterten auf 120 Millionen Euro. Lake Placid – 6000 km entfernt – könnte als Notfall-Alternative einspringen. Eine Verlegung wäre für Schwab aber „völlig inakzeptabel“.
Beim Bob hängt es am Baumeister, bei den Skisprungschanzen auch: Im Januar sollten als obligatorische Tests in Predazzo Weltcups stattfinden, daraus wurde nichts. Derzeit ruhen die Bauarbeiten, erst Ende Februar soll weitergearbeitet werden, im September ein erstes Mattenspringen stattfinden. „Das wird ein Stresstest“, sagt Weltverbands-Renndirektor Sandro Pertile.
Weitere Großbaustelle: der Straßenverkehr. Die Wettkampforte sind weit verteilt, die Straßen schmal, Infrastruktur-Projekte stocken. Von Cortina (Alpin, Bob/Rodeln) nach Val di Fiemme (Nordisch) beispielsweise dauert es bestenfalls zwei Stunden für 90 km über den 1918 m hohen San-Pellegrino-Pass. Rund ums 5600-Seelen-Nest Cortina befürchten Anwohner den Verkehrskollaps.
Das OK gönnt sich zudem zwei alpine Schauplätze, Männer und Frauen fahren getrennt. Bormio und Cortina, beides frühere WM-Ausrichter, könnten die Wettbewerbe solo stemmen – politisch wollte Italien beide dabei haben. Nun liegen 300 bergige Straßenkilometer zwischen beiden Clustern.
Auch in Mailand wird gebaut – schlechterdings unter Misstönen: Bei der Errichtung der Eissporthalle PalaItalia soll es zu großflächiger Korruption gekommen sein. Die Kosten sind von 180 auf 300 Millionen Euro gestiegen. Schneller ging es dadurch nicht – die Eröffnung ist wenige Wochen vor Olympia geplant.
Vieles also wird bestenfalls eine Punktlandung werden. Spötter halten dem entgegen, dass zumindest eine Veranstaltungsstätte frühzeitig fertig wurde: Die Arena di Verona, Schauplatz der Schlussfeier, entstand im Jahr 30 nach Christus und hält sich seitdem tapfer – Nachhaltigkeit, wie sie sich das IOC wünscht.