Sport-Informations-Dienst (SID)

Leistung muss man sich leisten können – Quo vadis, Sportförderung?

April 2025

Köln (SID) Der deutsche Sport will Olympia ins Land holen – und wieder mehr Medaillen feiern. Zugleich kämpfen Athleten mit den Folgen von Mittelkürzungen. Ist Spitzensport ein Privileg für Reiche?

Wenn Igor Wandtke für den Deutschen Judo-Bund unterwegs ist, dann will er „keine goldenen Löffel„, nur „ein paar Mindeststandards„. Eine eigene Toilette im Hotelzimmer etwa. Oder ein Frühstück, das auch Spitzensportler guten Gewissens zu sich nehmen können. Beides aber findet er immer seltener vor, der DJB erhält 2025 dramatisch weniger Fördergelder, gespart wird auch beim Leistungssport in sechsstelliger Höhe. Die Aktiven merken das an allen Ecken und Enden.

Männer und Frauen teilen sich im EM- und WM-Jahr bei Wettkämpfen einen einzigen Physiotherapeuten, die Qualität der Unterkünfte und damit auch der Verpflegung hat weiter abgenommen. Wandtke – 34, Sportsoldat, Managementstudent und dreimaliger Olympiateilnehmer – hat sich zuletzt mit Teamkollegen vor einem Wettkampf „im Supermarkt Tupperdosen gekauft und Müsli und Milch, damit wir etwas frühstücken konnten„, erzählt er im SID-Gespräch und hadert: „Das gibt es nirgendwo in der Welt: Dass man sagt, du kriegst weniger, aber ich hätte gern mehr Leistung dafür.

Quelle: AFP

Vom organisierten deutschen Sport, der 2036, 2040 oder 2044 Olympische Sommerspiele ausrichten und dabei strahlende Erfolge feiern möchte, fordert er schnelles und entschlossenes Handeln – und zwar nicht nur für seine Sportart: „Es müssen jetzt aktiv die Weichen gestellt werden, damit man, wenn man Spiele zuhause ausrichtet, nicht zur Lachnummer wird.

Im Kern geht es darum: Welchen Sport will Deutschland (fördern)? Sollen die meistversprechenden Disziplinen fast alle Gelder abschöpfen, oder soll die Vielfalt bewahrt werden? Der Ist-Zustand, bei dem es keine eindeutige Antwort gibt, entnervt und demotiviert jedenfalls immer mehr Sportler.

Es geht für einige Athleten in die Richtung, dass es nicht mehr tragbar ist„, fasst Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland, die Beschwerden über immer schlechtere Bedingungen zusammen. Letztlich, erklärt der ehemalige Basketball-Nationalspieler dem SID, sei dies allerdings „die logische Konsequenz der Fördersystematik„.

Das viel diskutierte Potenzialanalysesystem (PotAS) clustert – grob gesagt – in Medaillengaranten, Hoffnungsträger und eben Hinterbänkler, die international kaum Chancen haben. Hierzu werden die Judoka gezählt, trotz immerhin einer Silbermedaille in Paris. Oder die Badmintonspieler, die sich kürzlich die Reise zur Mannschafts-WM in China nicht mehr leisten konnten und denen im Spätsommer das Geld für Trainingsbälle ausgehen könnte.

Doch auch maximaler Erfolg ist keine Garantie für optimale Grundlagen, wie der Fall von Maike Hausberger zeigt. Die Paralympics-Siegerin von Paris im Zeitfahren trainiert derzeit mit einem Straßenrad, weil sie ihr bisheriges nach einem Vereinswechsel abgeben musste und keine 15.000 Euro für ein neues zur Verfügung hat. „Mehr Amateur geht eigentlich gar nicht mehr„, klagte sie im ARD-Mittagsmagazin.

Aus Studien wissen wir, dass viele Athleten in erheblichem Maße auf ihre Elternhäuser als Sponsoren angewiesen sind. Es ist also bereits der Fall, dass Athleten aus wohlhabenderen Milieus im Vorteil sind„, erklärt Herber.

„Sehr hart, aber ehrlich“, erklärt er, wäre es deswegen zu sagen: „Wenn ihr euren Sport machen wollt, müsst ihr etwas zuzahlen.“ So, wie es an vielen Stellen schon passiert. Selbst in der Prestige-Sportart Leichtathletik, wo Clemens Prüfer und Henrik Janssen kürzlich den Trip zum Meeting in Ramona/USA mit 2000 bis 3000 Euro selbst finanzierten – und bei perfekten Windbedingungen persönliche Bestweiten erzielten.

Für eine bessere, effektivere Verteilung der deutschen Fördermittel – die sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen können – sollte eigentlich eine „unabhängige Spitzensportagentur“ sorgen, doch die von der rot-grün-gelben Bundesregierung angestoßene Reform schaffte es nicht mehr durchs Parlament. Was CDU/CSU und SPD im Sinn haben, ist fraglich, der Koalitionsvertrag an entsprechender Stelle kryptisch formuliert.

Der Deutsche Olympische Sportbund stecke „als Zuwendungsgeber und Vertreter der Verbände im Interessenskonflikt“, stellt Herber fest. Die Sportförderung bleibt eine Baustelle, die mit Blick auf eine Olympiabewerbung – vor allem aber im Sinne der Athletinnen und Athleten – bald geschlossen werden muss.