Mailand/Frankfurt (SID) Inter Mailand steht nach dem zweiten Wahnsinns-Spiel in Folge gegen den FC Barcelona im Finale der Champions League, der Triple-Traum von Hansi Flick ist geplatzt.
Yann Sommer schossen sofort die Freudentränen in die Augen, Hansi Flick stand eher bedröppelt im lombardischen Regen. Nach dem zweiten epischen Schlagabtausch im Halbfinale der Champions League zwischen Inter Mailand und dem FC Barcelona war es der frühere Bayern-Torwart und nicht der ehemalige Bayern-Trainer, der die Rückkehr nach München zum Endspiel am 31. Mai feiern durfte.
„Unglaublich! Ich bin 36 Jahre alt, ich bin nicht mehr der Jüngste – und ich darf mit dieser Mannschaft das Finale spielen“, sagte der Schweizer, der im Anschluss an seine herausragende Leistung beim mitreißenden 4:3 (3:3, 2:0) nach Verlängerung mit der funkelnden Trophäe für den Spieler der Partie am Prime-Mikrofon um die Wette strahlte: „Ich könnte nicht glücklicher sein.“
Im Gegensatz zum Helden von San Siro war Flick bedient und brummelte nach Mitternacht noch ziemlich lange das Lamento über den polnischen Top-Schiri Szymon Marciniak in seinen Drei-Tage-Bart („Fast jede 50:50-Entscheidung war für Inter“). Doch dann riss der Coach der Katalanen trotz der Enttäuschung über den geplatzten Triple-Traum die Augen zu seiner Kampfansage weit auf: „Wir werden nächste Saison zurückkommen.“
Das bleibt zu hoffen. Schließlich lieferte sich Barca ein Duell für die Geschichtsbücher mit Inter. Wer dachte, dass das 3:3 aus dem Hinspiel nicht zu toppen sei, sah sich getäuscht. Im Mailänder Hexenkessel brachten Lautaro Martínez (21.) und Hakan Calhanoglu per Foulelfmeter (45.+1) die Mailänder in Führung. Die Katalanen schlugen wie schon eine Woche zuvor durch Eric García (54.), den Ex-Leipziger Dani Olmo (60.) und Raphinha (87.) zurück. Francesco Acerbi (90.+3) sorgte für eine weitere Wendung, ehe Davide Frattesi (99.) Inter ins Finale schoss.
Nie fielen in einem Königsklassen-Halbfinale mehr Tore. Inter steht zum siebten Mal im Endspiel und greift am 31. Mai gegen Paris Saint-Germain nach dem vierten Henkelpott der Klubgeschichte. Zuletzt holten die Mailänder 2010 den Titel – mit einem 2:0 gegen die Bayern, die sie in dieser Saison im Viertelfinale ausgeschaltet haben. Die Medien überschütteten die Mannschaft um den deutschen Jung-Nationalspieler Yann Bisseck mit Lob und zogen Vergleiche zum Jahrhundertspiel zwischen Italien und Deutschland im WM-Halbfinale 1970 (ebenfalls 4:3 nach Verlängerung).
„Eine wahnsinnige Mannschaft erobert das Finale mit einem Spiel, das bereits legendär ist“, schrieb die Gazetta dello Sport. „Nicht umsonst ist 4:3 ein Resultat, das in Italiens DNA fest verankert ist“, meinte Tuttosport. Und La Repubblica fragte rhetorisch: „4:3. Wo haben wir diesen Film bereits gesehen?“
In Spanien schimpften die Zeitungen in erster Linie über den Schiedsrichter, hatten aber noch Platz für die Würdigung Sommers. „Was für ein Auftritt des Schweizer Torhüters. Spektakulär“, schrieb Marca. Das Schweizer Boulevardblatt Blick ergänzte: „Grazie mille dürfen alle einem Mann sagen: Yann Sommer.“
Ausgerechnet Sommer, auf den bei seinem kurzen Intermezzo beim FC Bayern 2023 häufig Kritik eingeprasselt war, darf nun erneut in München vorspielen. Die große Bühne hat sich der langjährige Gladbacher mit etlichen Paraden selbst bereitet. Vor allem seine unglaubliche Rettungstat gegen García in der 57. Minute läuft im Internet hoch und runter. „Du rennst einfach durch und versucht, eine Hand an den Ball zu bekommen“, kommentiert der Keeper die Szene.
Eine Hand an den spanischen Meisterpokal könnte Barcelona schon am Sonntag (11. Mai) bekommen. Am viertletzten Spieltag wartet der womöglich entscheidende Clásico gegen Real Madrid. Da Flick die vier Punkte Vorsprung nicht verspielen und nach dem Pokalsieg zumindest das Double sichern möchte, wollte der frühere Bundestrainer die Enttäuschung so rasch wie möglich hinter sich lassen: „Am Donnerstag werden wir wieder trainieren und uns auf Real vorbereiten.“