Sport-Informations-Dienst (SID)

Jüngster WM-Kapitän seit 1971: Seider „reifer“, als es der Pass sagt

Mai 2025

Herning/Köln (SID) Mit nur 24 Jahren ist Moritz Seider schon der wichtigste Führungsspieler der Nationalmannschaft – auf dem Eis und außerhalb.

Moritz Seider zog schon mal das WM-Trikot mit dem „C“ über. Vorerst nur zum Fotoshooting, denn bis zum ersten Spiel in Herning sind noch ein paar Tage Zeit. In „große Fußstapfen“ tritt der NHL-Star, „es ist eine tolle Sache. Aber auch nur ein Buchstabe, mehr nicht“, betonte der 24-Jährige. Ein bisschen mehr wohl doch: Seider ist der jüngste WM-Kapitän der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft seit über 50 Jahren. 

Ob Moritz Müller, der erstmals seit 2012 bei einer Weltmeisterschaft fehlt, Christian Ehrhoff, Marcel Goc, Marco Sturm, Dieter Hegen, Gerd Truntschka, Udo Kießling oder Erich Kühnhackl – auch die prominentesten seiner Vorgänger waren deutlich älter, als sie die wichtigste Führungsrolle übernahmen. Nur Alois Schloder war bei der WM 1971 mit 23 ein halbes Jahr jünger als Seider jetzt. 

Doch darauf kommt es gar nicht an, meint Bundestrainer Harold Kreis. Denn eigentlich wirkt der beste deutsche Verteidiger schon älter. „Ich kenne Moritz persönlich ja noch nicht so lange, aber jedes Mal, wenn ich ihn getroffen habe, habe ich gedacht: Er ist ein reifer Mann. Auch schon vor Jahren“, sagte Kreis dem SID vor dem Auftakt der Eishockey-Weltmeisterschaft gegen Ungarn am Samstag (10. Mai/16.20 Uhr/Pro7 und MagentaSport): „Moritz ist jemand, der das Gefühl gibt, dass er die Verantwortung haben möchte, dass er sie nicht scheut, dass er sehr sorgfältig damit umgeht und wirklich immer im Sinne der Mannschaft handeln möchte. Weil er so ein ausgeprägtes Gefühl für die Mannschaft hat, möchte er eine Führungsrolle haben.

Quelle: AFP

Diese Führungsrolle hatte Seider schon, als er vor zwei Jahren mit dem Team in Tampere Vizeweltmeister wurde. Auf dem Eis als der überragende Abwehrspieler der WM, jenseits der Bande als einer, der neben dem damaligen Kapitän Mo Müller wesentlich zum legendären Teamspirit beitrug, als er seine Kollegen zum Bad im eiskalten „Heiligen See“ am Hotel animierte – das auf dem Weg ins Finale zum Ritual wurde. „Das war eine sehr coole Geschichte“, erzählte Seider dem SID, „ich mache gerne ein Eisbad, irgendwann war die ganze Mannschaft dabei, das sagt viel aus.

Dass das Geburtsdatum im Pass nicht die ganze Geschichte über Moritz Seider erzählt, haben auch die Detroit Red Wings, die Seider zum aktuell bestbezahlten deutschen Eishockeyspieler der Geschichte machten, schnell festgestellt. In seiner vierten NHL-Saison wurde er schon als „Ausbilder“ eingesetzt, bekam den zwei Jahre jüngeren Schweden Simon Edvinsson an seine Seite gestellt. 

Woher kommt diese frühe Reife? „Das geht schon weit zurück“, sagte Seider und erinnerte an seinen Profistart in Mannheim: „Wenn man mit 16 Jahren in die Adler-Kabine geworfen wurde, musste man sich einfach benehmen, man musste funktionieren. Man hatte auf einmal mit älteren Menschen zu tun, die voll im Leben stehen.“ Er habe „das Kind in sich“ behalten, „aber ich musste schon ein bisschen reifer agieren. Dem bin ich treu geblieben.

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Am 09. Mai startet die 88. Eishockey-WM in Schweden und Dänemark. Der Sport-Informations-Dienst (SID) beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wo wird gespielt?

Nach Tschechien 2024 werden in diesem Jahr wieder zwei Länder das Turnier ausrichten. Gespielt wird im 13.850 Zuschauer fassenden Globen in der schwedischen Hauptstadt Stockholm sowie im dänischen Herning in der Jyske Bank Boxen (12.000), in der im vergangenen Januar bereits die deutschen Handballer während der WM angetreten waren. Die deutschen Eishockey-Cracks müssen in Gruppe B ebenfalls in Herning ran, wo nach der Vorrunde noch zwei Viertelfinals ausgetragen werden. Die restlichen Spiele finden in Stockholm statt. Das Turnier läuft vom 9. bis 25. Mai.

Mit welchem Ziel geht das DEB-Team ins Turnier?

Harold Kreis bekräftigte zuletzt erneut das Ziel Viertelfinale. Weiter denken will der Bundestrainer nicht, er formulierte es so: „Ich bin kein Bergsteiger, aber die sagen immer: Ich muss erst ein Camp erreichen, dann geht es zum nächsten. Ich kann nicht zwei Camps weiter denken, bevor ich das erste erreicht habe, dann geht uns der Sauerstoff aus.“ Nicht zuletzt nach Olympia-Silber 2018 und WM-Silber 2023 sind die Ansprüche beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) aber gestiegen. Im Vorjahr war im Viertelfinale gegen die Schweiz Schluss.

Wie stark ist die deutsche Mannschaft?

Kreis kann auf einen ausgewogenen Kader bauen, einige Ausfälle schmerzen aber. So fehlen im Vergleich zum letzten Jahr Vorkämpfer Nico Sturm, der mit Florida in den NHL-Play-offs um den Stanley Cup spielt, und John-Jason Peterka, der in Buffalo über seinen ersten großen NHL-Vertrag verhandelt und im vergangenen Jahr bester deutscher Torjäger war. Berlins Kai Wissmann, wohl der beste Verteidiger in der DEL, musste ebenso verletzungsbedingt passen wie der langjährige Kapitän Moritz Müller. Dafür kann Kreis wieder auf Moritz Seider zählen, der im vergangenen Jahr in derselben Situation steckte wie jetzt Peterka. Den 24 Jahre alten Verteidiger machte der Bundestrainer zum Kapitän. Seider allein hebt die Abwehr auf ein höheres Niveau. Im Tor hat Kreis die Wahl zwischen Philipp Grubauer, hinter dem eine schwierige NHL-Saison liegt, und Mathias Niederberger, der sechs Wochen verletzt war, beim Silber-Coup vor zwei Jahren aber glänzte. Im Angriff fehlte bei der Generalprobe gegen die USA (2:5) abgesehen vom Doppeltorschützen Justin Schütz noch die Kaltschnäuzigkeit. Diese könnte Tim Stützle bringen. Ob der NHL-Star helfen kann, war auch zwei Tage vor dem Auftaktspiel in der Jyske Bank Boxen gegen Ungarn weiter unklar.

Wer sind die Favoriten?

Die üblichen Verdächtigen, aber vor allem Kanada. Der Rekordweltmeister reist im Jahr vor den Olympischen Spielen mit den NHL-Superstars Sidney Crosby und wohl auch Nathan MacKinnon an, die ein Spiel quasi im Alleingang entscheiden können. Doch auch die anderen Topnationen, wie Titelverteidiger Tschechien mit David Pastrnak oder Schweden mit Filip Forsberg, können Starpower aus der besten Liga der Welt vorweisen. Der ganz große Name fehlt dagegen im Kader der USA. Das gilt auch für Olympiasieger Finnland.

Wo wird die WM übertragen?

Im Free-TV werden die deutschen Spiele bei ProSieben übertragen, dazu ein Viertelfinale, beide Halbfinals und das Endspiel. Bei ProSieben MAXX sind weitere Gruppenspiele und ein Viertelfinale zu sehen. Auch MagentaSport zeigt die deutschen Partien live sowie die meisten K.o.-Spiele, allerdings hinter einer Bezahlschranke. Alle Spiele der WM – davon 43 exklusiv – hat Sportdeutschland.tv im Angebot. Ein Turnierpass kostet zwölf Euro.