London/Köln (SID) Künstliche Intelligenz revolutioniert den Sport – von der Trainingsoptimierung bis hin zur komplexen Spielanalyse. Doch wie viel Einfluss kann sie in der Zukunft nehmen?
In der modernen Trainingssteuerung zählen längst nicht mehr nur Intuition und Erfahrung. Wer heute im Spitzensport erfolgreich sein will, muss auch Algorithmen verstehen. Künstliche Intelligenz (KI) hat ihren festen Platz in Spielanalyse, Belastungssteuerung und Scouting gefunden – nicht als Ersatz für den Menschen, sondern als Ergänzung.
Zwei, die diesen Wandel mitgestalten, sind Prof. Dr. Daniel Memmert von der Deutschen Sporthochschule Köln und Maximilian Hahn, Head of Technical Recruitment & Analysis bei West Ham United. „Wenn die Daten nicht stimmen, dann stimmen auch die Modelle nicht“, sagt Memmert. Der Sportwissenschaftler arbeitet daran, Muster in Spielverläufen zu erkennen, taktische Strukturen zu analysieren und Entscheidungsverhalten greifbar zu machen – mit KI als Werkzeug. Doch genau dieses Werkzeug braucht saubere Grundlagen. „Eine KI ist kein autonomes System. Sie braucht ein Problem, saubere Daten und Menschen, die die Ergebnisse final interpretieren“, so Memmert.
Ein Selbstversuch mit ChatGPT vor einem Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft lieferte gleich zwei nicht nominierte Spieler für die Aufstellung – ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit menschlicher Kontrolle. Für Memmert steht fest: Nur im Zusammenspiel von Trainingswissenschaft und Informatik kann die neue Technologie ihr Potenzial entfalten. „Wir brauchen die Kombination aus sportwissenschaftlicher Kompetenz und der IT-Kompetenz.“ Deshalb engagiert sich sein Institut auch in der Aus- und Weiterbildung von Trainerinnen und Trainern: „Da kann man nicht einfach mehr nur mit Bauchgefühl arbeiten. Das ist vorbei.“
Während Memmert forscht, wendet Hahn an. In der Premier League übersetzt er mit seinem Team Daten in Handlungsempfehlungen. „Wir treten eher als Kritiker fast schon auf, als Vermittler oder Dolmetscher“, beschreibt Hahn seine Rolle. Sein Ziel: automatisierte Prozesse, die das Trainerteam entlasten – aber nicht ersetzen. „Die Hauptaufgabe ist tatsächlich, Fußball zu schauen. Alles drumherum – von Visualisierungen bis zur Textbeschreibung – kann vorbereitet werden.“ Doch selbst die beste Analyse bringt wenig, wenn sie nicht greift.
Vertrauen, Überzeugung und Kommunikation bleiben zentrale Aufgaben der Menschen – nicht der Maschinen. Hahn denkt längst einen Schritt weiter: „Wir bewegen uns darauf zu, auf den Trainerbänken eine Art Race Cockpit wie in der Formel 1 zu bekommen.“ Eine digitale Steuerzentrale für Echtzeitdaten, Taktikmodelle und Visualisierungen – live während des Spiels. Auch Memmert spricht von „strategischer Unterstützung“: Systeme, die Denkprozesse abkürzen und Optionen aufzeigen, aber keine Entscheidungen abnehmen.
Beide sind sich einig: KI verändert das Spiel – aber nur dann, wenn Menschen sie verantwortungsvoll nutzen. „KI ist kein Ersatz“, sagt Memmert, „sondern ein Werkzeug.“