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Von wegen „Goldene Ananas“! Nagelsmann stellt Charakterfrage

Juni 2025

Herzogenaurach/Stuttgart (SID) Unwichtig? Mitnichten! Dem Duell mit Frankreich um Platz 3 der Nations League kommt mit Blick auf die WM große Bedeutung zu.

Das erträumte „Titelchen“ ist weg, das viel zitierte „Selbstverständnis“ hat Risse bekommen – doch vor dem Duell mit Frankreichs Zauberern packt Julian Nagelsmann seine Stars bei der Ehre. „Mir geht es weniger um Platz drei“, sagte der Bundestrainer vor dem Spiel um die „Goldene Ananas“ in der Nations League am Sonntag (15.00 Uhr/RTL und DAZN) in Stuttgart gegen den Vize-Weltmeister, und er betonte: „Ich will lieber ein Topspiel sehen und wir werden Vierter, als ein schlechtes Spiel und wir werden Dritter.

Zur Wahrheit aber gehört auch: Ein Sieg gegen Frankreich zum Saisonabschluss wäre aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Weil von September bis November die überaus machbare WM-Qualifikation gespielt wird, ist es der letzte Härtetest vor dem WM-Jahr – und damit die vorerst letzte Chance, das bei der Niederlage im Halbfinale gegen Portugal (1:2) angeknackste Selbstvertrauen zu stärken.

Die Slowakei, Nordirland und Luxemburg taugen dafür bei allem Respekt der DFB-Elf vor ihren Quali-Gegnern nicht. Darüber hinaus müssen Punkte für die Weltrangliste her. Die Chance auf Lostopf 1 bei der Endrunde 2026 in den USA, Mexiko und Kanada und damit auf eine vermeintlich leichtere Gruppe ist gesunken, aber noch nicht verpasst.

Nagelsmann hat seiner Mannschaft daher laut Sportdirektor Rudi Völler bei einer „relativ langen Sitzung“ ins Gewissen geredet. „Wir sind alle total selbstkritisch“, betonte Völler und bilanzierte: „Die Spieler haben verstanden, dass wir auf jeden Fall eine Schippe drauflegen müssen!“ Sonst wird Frankreichs Power-Offensive um Superstar Kylian Mbappé das DFB-Team noch gnadenloser bestrafen, als es Cristiano Ronaldo und die anderen taten.

Quelle: AFP

Vielleicht, sinnierte der frühere Weltklassestürmer, „waren wir ein bisschen verwöhnt durch die letzten guten Spiele. Aber man sieht immer wieder: Wenn du auf allerhöchstem Niveau ein paar Prozentpunkte weniger machst, verlierst du.“ Wie gegen Portugal.

Zweikämpfe, Bewegung, Eins-gegen-eins-Situationen – das müssen wir am Sonntag definitiv anders machen“, mahnte Völler eindringlich, seinen Optimismus behielt er jedoch: „Wir haben es ja schon bewiesen, nicht nur bei der Europameisterschaft.

Die Spieler scheinen gewillt, den miesen Münchner Mittwoch als Ausrutscher einzustufen. „Wir haben am Sonntag die Chance“, sagte Kapitän Joshua Kimmich, „eine Reaktion zu zeigen.“. „Wir kommen als Nationalmannschaft nicht so oft zusammen und haben nur wenige Spiele“, sagte Stürmer Niclas Füllkrug, „wir müssen mit Blick auf die WM jedes Spiel nutzen.“ Verteidiger Robin Koch ergänzte: „Es ist extrem wichtig, dass wir die Saison mit einem Sieg abschließen.“ Zumal sich die Spieler aus der zweiten und dritten Reihe in Abwesenheit zahlreicher Stammkräfte schon jetzt mit Blick auf die WM empfehlen müssen

Allzu viele Alternativen hat Nagelsmann nicht mehr. Die gegen Portugal schwachen Bayern-Profis Aleksandar Pavlovic und Leroy Sané sind erste Wechsel-Kandidaten. Auch eine Abkehr von der wenig funktionalen Dreierkette scheint möglich. Die von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus losgetretene Diskussion um ein Verschieben von Kimmich auf die Sechs dürfte der Bundestrainer an sich abprallen lassen.

Für Nagelsmann ist klar: „Wir müssen die Spiele nutzen, um uns zu entwickeln.“ Mit dem von ihm geforderten „Topspiel“ wäre „die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir auch gewinnen. Es ist psychologisch kein Feuerwerk, dass wir um Platz drei spielen. Aber da kann man super dran reifen und sich beweisen.

Das ist der Nationalmannschaft bislang fast immer gelungen. Von den sieben Spielen um Platz drei hat sie sechs gewonnen, zuletzt bei der WM 2010 gegen Uruguay (3:2). „Auf jeden Fall sollte man das Spiel nicht abschenken“, mahnte Sky-Experte Matthäus und betonte: „Frankreich gehört zur absoluten Weltspitze. Da wollen wir hin.“ Was zu beweisen wäre.