Seit einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu staatlichen Fördergeldern für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) steht die politische Betätigung von gemeinnützigen Vereinen wieder im Fokus der öffentlichen Debatte. Die Union will wissen, welche NGOs wie viel Steuergeld erhalten – und ob diese Gelder zur politischen Einflussnahme genutzt werden. Das sorgt nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für Verunsicherung in der Vereinswelt. Denn es stellt sich die Frage:
Wie politisch darf ein gemeinnütziger Verein eigentlich auftreten, ohne seinen steuerrechtlichen Status zu gefährden?
Die Antwort darauf ist komplex und angesichts der aktuellen Gesetzeslage und Rechtsprechung nicht immer auf den ersten Blick nachvollziehbar.
Der Fall Attac als Zäsur
Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) im Fall des Attac e.V. (Urt. v. 10.01.2019, Az: V R 60/17) wurde deutlich: Gemeinnützigkeit und politische Einflussnahme vertragen sich nur bis zu einem gewissen Grad. Das Gericht stellte klar, dass Vereine zwar politische Bildung betreiben dürfen. Sobald jedoch eine konkrete Einflussnahme auf die politische Willensbildung oder Gesetzgebung bezweckt werde, sei dies nicht mehr mit § 52 AO vereinbar, in dem die Grundsätze für die Gemeinnützigkeit eines Vereins verankert sind. Die Folge: Attac verlor seine Gemeinnützigkeit und damit zahlreiche einhergehende Privilegien.
Was ist erlaubt – und was nicht?
Ein Überblick der (noch bzw. nicht mehr) erlaubten politischen Betätigung eines gemeinnützigen Vereins zeigt Folgendes:
Zulässig:
Unzulässig:
Zweifelhaft bzw. anhand des Einzelfalls zu bewerten:
Beispiel: Protestaktion eines Umweltvereins
Ein gemeinnütziger Umweltverein ruft öffentlich zur Teilnahme an einer Demonstration gegen den Ausbau einer Autobahn auf. Ist das bereits problematisch?
Nicht zwingend: Denn wenn der Aufruf im Kontext eines satzungsmäßigen Zwecks (z.B. „Förderung des Umweltschutzes“) steht und keine parteipolitische Einflussnahme bezweckt wird, kann dies weiterhin im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts zulässig sein. Wird der Protest jedoch parteipolitisch instrumentalisiert oder soll hierdurch aktiv ein laufendes Gesetzgebungsverfahren beeinflusst werden, kann dies rechtliche Konsequenzen für die Gemeinnützigkeit haben.
Reform der Abgabenordnung in Sicht?
Seit dem Urteil zu Attac wird über eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts diskutiert. Im Jahr 2024 hat das Bundesfinanzministerium angekündigt, § 52 AO anzupassen. Vorgeschlagen ist eine Ausweitung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke, unter anderem auf:
Doch bislang liegt nur ein Entwurf vor. Mit einer Verabschiedung ist frühestens Ende 2025 zu rechnen. Bis dahin gilt: Formale Strenge und rechtliche Vorsicht – auch beim politischen Engagement.
Fazit
Das Spannungsfeld zwischen politischem Engagement und Gemeinnützigkeit ist manchmal enger als gedacht. Die öffentliche Diskussion um Fördermittel, politische Neutralität und staatliche Kontrolle wird auch 2025 weiter an Fahrt aufnehmen. Vereine sollten sich daher klar positionieren, Satzungen regelmäßig prüfen lassen und Kommunikationsmaßnahmen juristisch absichern.
ENGEL.LAW unterstützt Vereine
Ob Umweltverein, Bildungsinitiative oder Sportverband: ENGEL.LAW begleitet Organisationen bei der rechtssicheren Gestaltung ihrer Arbeit. Wir prüfen Satzungen, helfen bei der Kommunikation mit dem Finanzamt und begleiten Reformprozesse – insbesondere bei politisch sensiblen oder öffentlich geförderten Projekten. Neben dem Aspekt der Gemeinnützigkeit umfasst unsere Expertise alle Fragestellungen, die im Zusammenhang mit der Organisation und Arbeit eines Vereins zu tun haben sowie das Medien- und Presserecht, Sportrecht und den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht). Damit aus Engagement kein Risiko wird. Mehr unter www.engel.law.