Sport-Informations-Dienst (SID)

„Neue Ära“ oder Stillstand – Quo vadis, deutscher Fußball?“

Juli 2025

Köln (SID) Mehr Talente, mehr Wachstum, mehr Professionalität: Nach dem EM-Aus rücken der DFB und die Vereine in den Fokus. Wie geht es weiter im deutschen Fußball der Frauen?

Zürich (SID) EM-Heldin Ann-Katrin Berger drückte ihrer Verlobten Jessica Carter im Finale die Daumen, die verletzte Giulia Gwinn schuftete in der Reha für ihr Comeback. Das Ende aller Titelträume im Halbfinale der Europameisterschaft in der Schweiz verarbeiten die deutschen Fußballerinnen auf ganz unterschiedliche Weise. Und während die DFB-Frauen die Enttäuschung allmählich verdauen, lief andernorts längst die Aufarbeitung eines Turniers, das DFB-Chef Bernd Neuendorf zufolge „eine neue Ära“ einleiten soll. In vielerlei Hinsicht.

Quelle: afp

Dass im deutschen Fußball etwas passieren muss, um die Top-Nationen nicht weiter aus den Augen zu verlieren, darüber sind sich alle einig. „Ganz Deutschland muss einfach schauen, dass wir die richtigen Schlüsse ziehen, um irgendwann eine Mannschaft zu haben, die solche Turniere gewinnen kann“, sagte Bundestrainer Christian Wück nach dem bitteren Halbfinal-Aus gegen den Weltmeister Spanien (0:1 n.V.). Nur wie lässt sich der Fußball der Frauen auf die nächste Stufe heben?

Mehr Talente, mehr Wachstum, mehr Professionalität – so lautet nahezu unisono die Formel für eine erfolgreichere Zukunft. Ein Punkt ist die Optimierung der Talentförderung, von der auch Wück immer wieder spricht. „Im Juniorenbereich“ sei der deutsche Fußball „da viel, viel weiter als im Juniorinnenbereich“. Ihm geht es aber auch darum, dass aussichtsreiche Talente wie Carlotta Wamser (21) oder Franziska Kett (20) mehr Spielzeit in ihren Vereinen bekommen. Dazu müsse mehr für Trainerinnen und Trainer an der Basis getan werden, sagte Neuendorf.

Quelle: afp

Die Verantwortlichen sehen die Bundesliga mit ihren Vereinen als großen Hebel. Aktuell scheint die deutsche Eliteklasse im internationalen Wettbieten an Attraktivität zu verlieren, zuletzt zog es zumindest Nationalspielerinnen wie Jule Brand (Olympique Lyon), Sydney Lohmann (Manchester City) oder Kathrin Hendrich (Chicago Stars) zu finanzstarken Klubs ins Ausland. Nicht nur deshalb werden die Warnungen des Branchenprimus Bayern München lauter.

„Wenn man sich die Struktur in der Frauenfußball-Bundesliga anschaut, bieten wir zu wenig professionelle Strukturen“, sagte Bianca Rech, Direktorin Frauenfußball bei den Bayern, dem SID bereits vor der EM. Das Thema Infrastruktur stehe für sie an erster Stelle: „Inwiefern sind die Spielerinnen in der Lage, ihre Arbeit professionell auszuüben?“ Dazu sei ein „Mindestgrundgehalt“ eine Voraussetzung, „damit die Spielerinnen der Arbeit als Fußballerin nachgehen können und nebenbei nicht noch 40 Stunden arbeiten müssen“. Man wolle aber „kein copy-paste des Männerfußballs“.

Ein Konzept mit wichtigen Weichenstellungen soll laut DFB bis zum Bundestag des Verbandes im November stehen. Wie die Veränderungen aussehen werden, wurde noch nicht publik gemacht. Bislang mangelte es allerdings am richtigen Tempo, in dieser Saison tritt immerhin eine Neuerung in Kraft: Erstmals spielen 14 statt zwölf Vereine in der aufgestockten Bundesliga. Die Aufsteiger Hamburger SV, Union Berlin und 1. FC Nürnberg bringen Strahlkraft mit, Highlightspiele in großen Stadien sollen den Fanandrang ankurbeln.

Die EM-Auftritte der DFB-Frauen dürften als Katalysator dienen. Auch durch eine erfolgreiche EM-Bewerbung für 2029, über die am Ende des Jahres entschieden wird, erhofft sich der DFB nochmals einen gewaltigen Schub. Nicht zuletzt die „unfassbaren Einschaltquoten“ bei der EM hätten gezeigt, sagte Neuendorf, „was mit dem Frauenfußball passiert in Deutschland“.

Nun liegt der Ball bei den Verbänden und Vereinen.