Sport-Informations-Dienst (SID)

Tour-Dritter Lipowitz begeistert selbst den Kanzler: „Aber an Gelb will ich nicht denken“

Juli 2025

Paris (SID) Florian Lipowitz sorgt mit seiner Traum-Tour für neue deutsche Radsport-Euphorie. Doch der Aufsteiger selbst warnt vor übergroßen Erwartungen.

Am Morgen nach den außergewöhnlichsten drei Wochen seines Lebens und einer wilden Pariser Party-Nacht sehnte sich Florian Lipowitz nach ganz gewöhnlichen Genüssen. „Endlich konnte ich mal ausschlafen! Und jetzt freue ich mich auf einen schönen Tag mit meiner Freundin hier mit Kaffee und Croissant“, sagte er. Es ist nur eine kleine Pause vom gewaltigen Trubel: Mit seinem dritten Platz bei der Tour de France hat Lipowitz ganz Radsport-Deutschland auf links gedreht – und der Rummel wird kaum nachlassen.

Quelle: AFP

„Mir ist noch gar nicht bewusst, was ich daheim ausgelöst habe – wir sind hier die ganze Zeit in einer Blase“, sagte der 24-Jährige. Außerhalb der Blase fieberte selbst der Bundeskanzler mit: „Diese Leistung lässt nicht nur mein Herz als leidenschaftlicher Hobby-Fahrradfahrer höher schlagen“, verkündete Friedrich Merz.

„Super-Lipo“, „Lipoblitz“, „Lip, Lip, Hurra!“: Der junge Ulmer ist urplötzlich ein deutscher Sportliebling. Und damit wird sich viel für ihn ändern. Wahrscheinlich und glücklicherweise nicht so dramatisch wie einst bei Jan Ullrich. Doch aufregend wird das neue Leben des früheren Biathleten allemal – als bester Jungprofi beim wichtigsten Rennen der Welt hat er zwangsläufig ein Versprechen für die Zukunft abgegeben.

„Das ist ein großer Tag für mich. Am liebsten würde ich die Tour mit Florian gewinnen“, sagte sein Red-Bull-Teamchef Ralph Denk im Glücksrausch am Abende des 27. Juli in Paris. Nach Weiß nun Gelb? Dass sich der steile Aufstieg des Frankreich-Debütanten Lipowitz ähnlich steil fortsetzt in einer Sportart, die im nun viermaligen Tour-Champion Tadej Pogacar den überlegensten Athleten seit Eddy Merckx besitzt, ist eine (zu) kühne Erwartung.

„An so etwas will ich gar nicht denken“, setzt Lipowitz dem Toursieg-Thema ein dickes Stoppschild entgegen: „Schon auf dem Podium zu sein, ist etwas ganz Besonderes. Die vergangenen drei Jahre sind extrem gut für mich verlaufen, so wird es nicht immer weitergehen, es werden Rückschläge kommen. Und Tadej Pogacar oder Jonas Vingegaard fahren auch noch einmal auf einem ganz anderen Level.“

Quelle: AFP

Eine Top-Tour 2025 muss also nicht in aller Selbstverständlichkeit ein Tour-Podium 2026 garantieren. Natürlich: Jan Ullrich wurde nach seinem zweiten Platz 1996 im Folgejahr Tour-Sieger. Lipowitz‘ früherer Teamkollege Emanuel Buchmann aber beispielsweise, der als Tour-Vierter 2019 für eine kleine „Emu-Mania“ gesorgt hatte, kam nie mehr ansatzweise an dieses Niveau heran.

„Es braucht ein paar Tage, bis alles bei mir angekommen ist“, sagt Lipowitz. Seine weitere Saisonplanung ist offen, seine nähere Zukunft nicht: Denk bestätigte, dass Lipowitz „langfristig“ an Red Bull gebunden ist. Nur: Ob die sportliche Führung, die sich bislang nicht durch übersteigerte Sentimentalitäten vor allem deutschen Fahrern gegenüber auszeichnete, ohne Wenn und Aber auf Lipowitz als Führungsfigur setzt, scheint fraglich.

Auch wenn Denk abwiegelt, wird der Wechsel von Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel zu Red Bull konkreter. Lipowitz müsste sich dann gegen ein millionenschweres Alphatier im eigenen Team bewähren – die Tour gehört stets auch zu den Hauptzielen Evenepoels.

„Ich habe mich damit nicht befasst, war auf die Tour fokussiert“, sagt Lipowitz. Wenn Evenepoel dann aber wirklich kommen sollte? „Dann würde ich mich freuen“, sagte er in der für ihn typischen ruhigen Diplomatie, die ihn auch im teaminternen Duell gegen Primoz Roglic hat gut aussehen lassen: „Ich glaube, dass wir auch zusammen etwas Gutes erreichen könnten.“