Vom 7. bis 17. August fanden in Chengdu, China, die World Games 2025 statt. Über 200 Athletinnen und Athleten gingen für das Team D an den Start, rund 50 davon aus Baden-Württemberg. Die nächsten World Games werden 2029 in Karlsruhe stattfinden. Ministerin Theresa Schopper berichtet im Interview von ihren Erlebnissen in Chengdu.
Frau Ministerin, Sie waren vor Kurzem bei den World Games in Chengdu vor Ort. Mit welchen Eindrücken sind Sie aus China zurückgekommen?
Ich war zum ersten Mal in China. Da erleben Sie Dimensionen, von denen wir hier weit weg sind: Chengdu allein hat rund 21 Millionen Einwohner; die Sportstätten, in welchen die Wettkämpfe der World Games stattfanden, fassen zum Teil mehrere Zehntausend Zuschauer – das gibt’s bei uns nur in Stadien oder in Ausnahmefällen. Insgesamt war das alles perfekt organisiert. Ähnlich wie man es schon von den Olympischen und Paralympischen Spielen in Peking gehört hat. Es waren wohl 20.000 Volunteers im Einsatz, die Sicherheitschecks bei den Venues glichen denen eines Flughafens. Ich habe Chengdu als tollen Gastgeber erlebt und spannende Sportarten und Wettkämpfe gesehen.
Der Sportsommer läuft aus baden-württembergischer Sicht bisher sehr erfolgreich. Im Juli fanden in Dresden die Finals statt, nun die World Games in Chengdu. Welche Momente oder Erfolge sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Baden-Württembergische Athletinnen und Athleten begeistern uns in diesem Sommer in der Tat sehr. Bei den Finals konnte unser Bundesland die Länderwertung gewinnen und in Chengdu kamen auch fast alle baden-württembergischen Starter unter die Top 8 oder sogar mit einer Medaille nach Hause. Ich finde es insgesamt toll, dass bei beiden Veranstaltungen durch den Eventcharakter Sportarten sichtbar werden, die sonst leider eher nicht so im Fokus stehen.
Die Bilder von der Gedächtniskirche in Dresden und die Menge an Menschen, die vor Ort beim Speedklettern mitgefiebert hat, haben mich sehr begeistert. Aus Chengdu erinnere ich mich gerne an die Stimmung beim Kanupolo, als nach den Frauen auch die Männer Gold gewannen. Auch die Beachhandballer haben mit tollen Leistungen und Medaillen begeistert. Und da wären noch viele weitere zu nennen.
Wie haben Sie die Stimmung in Chengdu während der World Games erlebt – sowohl in den Wettkampfstätten als auch in der Stadt selbst?
Die Stadt selbst war durchweg gebrandet mit Willkommensschildern, Shuttlebussen und den beiden Maskottchen: dem für die Stadt bekannten Panda und einem Affen. Man kam nicht dran vorbei, dass die World Games zu Gast sind. Die World Games fanden während der Sommerferien dort statt und das chinesische Staatsfernsehen hat wohl fast alle Wettkämpfe übertragen. Doch wie viel sich die Einheimischen mit den World Games beschäftigt haben, kann ich nicht sagen.
Die Wettkampfstätten lagen weit auseinander, man fuhr teilweise ein bis zwei Stunden, daher war ein Venue-Hopping nicht gut möglich. Ich habe die Stimmung als fair und sachlich empfunden. Eine Volksfeststimmung, wie wir das kennen, kam nicht auf – lauter wurde es meist dann, wenn chinesische Athletinnen und Athleten an den Start gingen.
Anders als bei Olympischen und Paralympischen Spielen waren die Athleten nach Sportarten, nicht nach Nationen untergebracht. Aufgrund der langen Wege war der Support innerhalb des Teams Deutschland daher an den Venues nicht so gut möglich, doch das deutsche Teamgefühl kam sicherlich auch über das einheitliche Outfit auf.
Was unterscheidet die World Games von klassischen Multisportevents wie Olympischen und Paralympischen Spielen oder den European Championships aus Ihrer Sicht?
Ich denke, man kann die World Games die „kleine Schwester“ der Olympischen Spiele nennen. Es ist ebenfalls ein riesiges Sportevent mit rund 5000 Athleten aus mehr als 100 Ländern, die in Chengdu in 34 Sportarten um Medaillen gekämpft haben. Die Varianz an unbekannteren Sportarten macht für mich den Charme aus. Ich glaube, bei uns ist das noch gar nicht so im Bewusstsein, dass die World Games immer ein Jahr nach den Olympischen Spielen stattfinden und dass die dortigen Leistungen nicht weniger beeindruckend sind als bei Olympischen oder Paralympischen Spielen.
In Chengdu wurde symbolisch der Staffelstab an Karlsruhe übergeben, das 2029 Gastgeber der World Games sein wird. Was bedeutet dieser Moment für Baden-Württemberg?
Ich denke, man kann von einem historischen Moment sprechen. Das hat auch der Präsident der International World Games Association in seiner Rede betont, denn zum ersten Mal darf eine Stadt die World Games zum zweiten Mal ausrichten, das ist weltweit einzigartig. In Karlsruhe findet dieses tolle Event also nach 40 Jahren erneut statt, mitten im Herzen Europas.
Der Karlsruher Oberbürgermeister, Dr. Frank Mentrup, hat beschrieben, dass die, die das 1989 erlebt haben, heute mit glänzenden Augen zurückblicken – und nun auch nach vorne. Der Moment der offiziellen Staffelstab-Übergabe in Chengdu hat die Vorfreude auf 2029 bei allen Beteiligten nochmal gesteigert. Das wird ein Fest des Sports, und ich kann jedem nur empfehlen, 2029 dabei zu sein und sich das anzuschauen.
Mit den Finals 2027 in Stuttgart und den World Games 2029 in Karlsruhe stehen gleich zwei Großereignisse im Sportkalender der nächsten Jahre. Worauf dürfen sich die Menschen im Land freuen?
Naja, da kommen zwei hochkarätige Sportveranstaltungen auf uns zu. Die Zuschauer können sportliche Höchstleistungen hautnah miterleben, haben die Gelegenheit, sich selbst auszuprobieren und von der Leidenschaft des Sports mitreißen zu lassen. Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit bekommen, diese beiden Sportfeste bei uns zu haben. Da werden Athletinnen und Athleten aus der ganzen Nation und aus aller Welt durch die Straßen laufen, Zuschauer aus anderen Ländern bei uns zu Gast sein – und wir können demonstrieren, dass wir Gastfreundschaft großschreiben. So ein Sportevent ist einer der letzten großen Lagerfeuermomente, die wir haben. Das verbindet, wird zum Gemeinschaftserlebnis. Darauf freue ich mich!
Solche Großveranstaltungen sind nicht nur Sportfeste, sondern haben auch Strahlkraft darüber hinaus. Welche Chancen sehen Sie für Baden-Württemberg?
So ein Sportfest kann gesellschaftlich verbinden und das Gefühl einer gemeinsamen Identität verstärken, das hat beispielsweise die Fußball-EM im letzten Sommer gezeigt. Doch auch der wirtschaftliche Faktor ist nicht zu unterschätzen. Selbstverständlich kostet das Event zunächst einmal viel, doch die Besucher lassen ja auch Geld da, der Tourismus in der ganzen Region profitiert. Das Sportevent wird zum Schaufenster für uns alle hier – und im besten Falle kommen die Leute wieder, nachdem sie gesehen haben, wie schön, vielfältig und offen es bei uns ist.
Wie kann sichergestellt werden, dass die Effekte über die Events hinaus nachhaltig wirken?
In den meisten Fällen überlegen wir eh schon ganz gut, wie wir das viele Geld, das investiert wird, so einsetzen, dass es für mehr als ein paar Eventtage wirkt. Darüber werden beispielsweise neue Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten für Vereine im Leistungs- und Breitensport entstehen. Auch das dient der Gesellschaft, den nachfolgenden Generationen und durch die verbindende Kraft des Sports auch dem Zusammenhalt. Nachhaltigkeit steht im Fokus.
Karlsruhe möchte 2029 nicht von ungefähr die „Spiele der kurzen Wege und der Nachhaltigkeit“ ausrichten. Denkbar sind dabei auch temporäre Bauten, wie etwa in Paris im letzten Jahr. Da kann alles im Anschluss in den ursprünglichen Zustand zurückgebaut werden.
Immer wieder wird auch über eine deutsche Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele diskutiert. Die Entscheidung dazu wird im kommenden Jahr bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung 2026 des DOSB in Baden-Baden fallen.
Ich hoffe sehr, dass wir Olympische und Paralympische Spiele nach Deutschland bekommen, wir sind ein sportbegeistertes Land und wären ein großartiger Gastgeber.
Die Spiele in Paris waren doch eine Visitenkarte für Frankreich und für den Sport. Das ganze Land hat profitiert, auch der Schulsport wurde dadurch aufgewertet. Ich kenne fast nur Leute, die begeistert von ihrem Besuch bei den Spielen in unserem Nachbarland berichtet haben.
Für Deutschland sprechen wir über die Spiele in rund zehn Jahren. Die Athleten, die da für Deutschland an den Start gehen werden, sind also noch recht jung. Da ist es klar, dass wir heute das Thema Nachwuchsförderung im Blick haben und den Vereinssport weiter stärken müssen. Die Strukturen müssen bundesweit passen, um den natürlichen Bewegungsdrang von Kindern und die Freude am Sport bei jungen Menschen zu fördern. Dann können junge Talente mit viel Fleiß und Unterstützung der Familien und des sportlichen Umfelds vielleicht irgendwann den Traum von Olympischen und Paralympischen Spielen in Deutschland leben.
Zudem können kommende Events wie die Finals und die World Games wichtige Erfahrungen in der Organisation liefern, Akzeptanz in der Bevölkerung aufbauen, Sportvielfalt stärken und zeigen, dass Deutschland als moderner Gastgeber auftreten kann.
Wenn Sie auf die kommenden Jahre blicken: Was ist Ihr persönlicher Wunsch im Hinblick auf die Sportentwicklung in Baden-Württemberg?
Ich denke, wir sind in Baden-Württemberg mit dem Solidarpakt schon recht gut aufgestellt und in engem Austausch mit dem LSVBW und den Sportbünden. Wir müssen weiter investieren in die Sanierung von Sportstätten, brauchen beispielsweise ausreichend Schwimmbecken. Die Schwimmfähigkeit liegt bei uns in Deutschland derzeit etwa bei 80 Prozent. Da wollen wir noch besser werden.
Der eingeschlagene Weg ist gut, doch es gibt weiterhin viel zu tun. Der Sport muss auch über den Ganztag mehr in die Schulen kommen. Das ist ganz wichtig, gerade für Kinder, die bisher wenige Anknüpfungspunkte mit Vereinssport haben.
Und einen Wunsch an die Vereine habe ich noch: Macht die Türen auf für Inklusionssport, auch für Menschen mit geistiger Behinderung. Für Menschen mit Handicap ist Sport besonders wichtig, denn er mobilisiert, zeigt einem, was man schaffen kann, bringt Lebensmut. Ich hoffe, dass wir in den Vereinsstrukturen auch hier immer besser werden.
Denn Sport liefert nicht nur ein tolles Gemeinschaftsgefühl, sondern er gibt einem auch was fürs Leben mit: Da werden Werte und gewinnbringende Fähigkeiten vermittelt, wie Respekt, Toleranz, oder der Wille, sein Bestes zu geben.
Quelle: www.lsvbw.de