Landessportbünde

Bremen: Gewalt im Sportverein – LSB-Ausschuss setzt Austauschreihe fort

September 2025

Gewalt im Sportverein bleibt ein hochaktuelles Thema – das zeigen Medienberichte wie der ARD-Podcast Spielabbruch und der „Safe Sport Code“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Auch der Ausschuss „Soziale Arbeit im Sport“ des Landessportbundes Bremen (LSB) widmet sich dieser Problematik und hat beim Bremer Turnverband den dritten Austauschtermin Umgang mit Gewalt im Sportverein veranstaltet.

Erinnerung an Angelo Caragiuli

Zu Beginn begrüßte Ausschussvorsitzende Helke Behrendt die rund 20 Teilnehmenden und gedachte des verstorbenen Angelo Caragiuli. Er hatte die Reihe initiiert sowie die ersten beiden Veranstaltungen in Bremen-Nord (5. Februar) und Bremerhaven (26. März) moderiert und dokumentiert.

Quelle: LSB Bremen

Fakten und erste Diskussionen

Ein Film der Deutschen Sportjugend (dsj) führte in das Thema ein. Er erklärte psychische, physische und sexualisierte Gewalt und verwies auf besorgniserregende Zahlen: Laut einer Studie von 2022 haben 70 Prozent der Mitglieder bereits mindestens eine Form von Gewalt im Sport erlebt.

„Ist das für euch überraschend?“, fragte Moderator Werner Bosse. „Die Zahlen des Films haben mich nicht überrascht“, sagte Jens Fröhlich vom Bremer SV. „Die Empfindungsgrenzen sind ja individuell.“ Er berichtete von Gewaltausbrüchen im eigenen Verein: „Dann erstmal Schockstarre. Wir sind auf den LSB zugegangen und haben um Hilfe gebeten und befinden uns in einem Aufarbeitungs- und Lernprozess.“

Auch Samuel Okoh, Vorsitzender des All Stars FC und selbst Schiedsrichter, schilderte einen Fall, bei dem ein Spielbericht nach einem Gewaltvorfall gefälscht werden sollte, um den Täter zu schützen. Mit Hilfe von Zeugen konnte dies verhindert werden, am Ende stand eine Entschuldigung gegenüber seinem Verein.

Gewalt betrifft alle Ebenen des Sports

Die Diskussion zeigte, dass Gewalt und Diskriminierung nicht nur Aktive und Trainer*innen betreffen, sondern auch das Umfeld. „Manche Eltern denken, sie haben bei Vollmond den nächsten Ronaldo gezeugt und bauen einen ungesunden Leistungsdruck auf. Die Zone ums Spielfeld ist da vor allem Kinderschutzzone“, erklärte Jens Fröhlich.

Reinhold Hübner, Vorsitzender des TuS Huchting, hob die Bedeutung interner Kommunikation hervor: „Wir haben wöchentlich eine feste 4-stündige Sprechstunde und einen guten Draht in die Abteilungen. Unser Verein ist riesig. Wir haben 500 Mitglieder in der Schwimmabteilung, Turnen von Anfängern bis zur Weltklasse und auch Cheerleading – bisher ohne Gewaltprobleme, trotz eines vermeintlich schwierigen Stadtteils. Wir haben allerdings keinen Fußball.“

Samuel Okoh kritisierte Defizite in der Schiedsrichterausbildung: „Die Ausbildung geht ein Wochenende, dann kannst du aufs Spielfeld. Das bereitet einen kaum vor. Bremen hat die kürzeste Ausbildung unter den Bundesländern.“ Auch Thomas Schmidt, 2. Vorsitzender im Landesverband der Gehörlosen Bremen sowie Fußball-Schiedsrichter berichtet von Polizei-Einsätzen bei Fußball-Spielen, vor allem in den niedrigen Ligen.

Helena Lämmerhirt vom Bremer Fußballverband nahm Kritik an, aber ordnete auch ein: „Wir versuchen unsere Ausbildung möglichst niedrigschwellig zu gestalten. Da wir zu wenige Schiedsrichter haben, ist das ein Ansatz, der sich kurzfristig nur schwer anpassen lässt – auch wenn wir gern umfassender ausbilden würden.“

Sensibilisierung und Prävention

„Die Grenze, wo Gewalt anfängt, ist individuell und deshalb auch schwierig von außen zu sehen, speziell wenn sich die Betroffenen noch nicht klar artikulieren können“, sagte Jutta Susemiehl von der SG Findorff. Sie verwies aber auch auf Fortschritte: „Zum Glück hat sich in den letzten 20 Jahren viel getan und es ist klarer geworden, wie man sich verhalten sollte.“

Auch Jens Fröhlich bestätigte Veränderungen: „Früher war es normal, dass die Trainer mitgeduscht haben; inzwischen ist klar verboten, dass da jemand mit in die Umkleide darf.“

Lämmerhirt stellte neue Strukturen vor: „Wir tun ja inzwischen einiges und haben inzwischen auch eine Beschwerdestelle. Ich bekomme sofort eine Nachricht auf mein Handy, sobald das irgendjemand ausfüllt, und wir können reagieren.“

Umgang mit Vorfällen

Wie Vereine im Ernstfall handeln sollten, diskutierten die Teilnehmenden intensiv. „Der erste Impuls ist: Alle rausschmeißen“, sagte Fröhlich. „Das ist wohl fürs Image des Vereins gut, aber der falsche Weg. Wenn wir die Leute einfach wegschicken, kann das auch woanders passieren. Wir wollen gemeinsam als Verein etwas bewegen und uns mit unseren Teams und Spielern entwickeln.“

Claus-M. Westphal vom TV Eiche Horn betonte den präventiven Ansatz: „Wir versuchen klarzumachen: Wartet nicht, bis Konflikte so groß sind, dass ihr euch auf die Nase haut – wir versuchen Gesprächsangebote glaubhaft in die Abteilungen und zu den Mitgliedern zu kommunizieren.“

Astrid Touray vom LSB machte deutlich: „Es kann leider nicht das eine Konzept geben, weil Vereine ganz andere Ausgangsvoraussetzungen haben. Wir brauchen einen Ansatz, der Trainer*innen stärkt, aber auch die Opfer wahrnimmt.“

Die dritte Veranstaltung zeigte erneut, dass Gewalt im Sport ein komplexes Problem ist, das Sensibilität, Prävention und gemeinsames Handeln erfordert. Weitere Termine und Fortbildungen sind seitens des LSB bereits in Planung – auch mit dem Bremer Fußballverband intensiviert sich momentan der Austausch zum Thema.

Unterstützung für Vereine

Zur Prävention stehen Bremer Vereinen verschiedene Beratungs- und Förderangebote zur Verfügung. Das 2024 eingeführte Kinderschutz-Siegel bietet eine Grundlage für Schutzmaßnahmen, Ansprechpartnerin ist Lisa Gleis. Zudem gibt es verschiedene Programme wie Integration durch Sport, Vielfalt im Sportverein oder Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Rassismus – die auf unterschiedliche Weise bei Vorfällen unterstützen können.

Quelle: www.lsb-bremen.de