Landessportbünde

LSVBW: „Besser hätte man die Geschichte nicht schreiben können“

Oktober 2025

Platz fünf der Welt mit Bestleistung von 6.434 Punkten – Siebenkämpferin Sandrina Sprengel (21) hat im September bei ihrer ersten WM in Tokio alle Erwartungen übertroffen. Seit mehr als sechs Jahren am Olympiastützpunkt in Stuttgart an ihrer Seite ist Baden-Württembergs Mehrkampf-Landestrainer Florian Bauder. 

Florian Bauder, Sie haben in Tokio Ihre erste WM erlebt – ist auch für Sie als Trainer ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen?

Bauder: „Auf jeden Fall! Wenn man sich für diesen Job entscheidet, dann hat man genau diese großen Ziele: bei Weltmeisterschaften und hoffentlich auch mal bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Es ist ziemlich cool, wenn man so mit den Athleten gemeinsam wachsen und das miterleben kann. Sandrina war im Alter von 14 Jahren das erste Mal beim Stützpunkttraining bei mir. Mit 15 Jahren ist sie auf das Sportinternat in Stuttgart gewechselt. Und jetzt rückt sogar das Ziel „Olympia in LA“ immer näher.“

Sie haben Anfang 2023 den LSVBW-Trainerpreis für Ihre Nachwuchsarbeit entgegengenommen. Wie nah war schon da der Gedanke an WM und Olympische Spiele?

Bauder: „Noch ziemlich weit weg (lacht). In Ratingen hat Sandrina 2024 mit 6.260 Punkten gewonnen, das war der erste Schritt. Aber dass es dann direkt so weit nach vorne und schon in diesem Jahr zu einer WM geht – daran habe ich lange nicht gedacht. Erst als sie im August in Dresden Deutsche Meisterin wurde hieß es, dass ich als Trainer der punktbesten deutschen Siebenkämpferin für die WM vorgeschlagen werde.“

Wie haben Sie im Vergleich zu den bisherigen Wettkämpfen die WM in Tokio erlebt?

Bauder: „Ich hatte das Glück, dass ich schon vorher bei zwei internationalen Nachwuchsmeisterschaften dabei sein konnte. Das war sehr, sehr wichtig und hat mir geholfen, gelassener nach Tokio zu fahren. Bei den U20-Weltmeisterschaften 2022 in Cali in Kolumbien, noch während der Corona-Zeit, hatten wir zum Beispiel auch weite Wege und lange Shuttle-Zeiten. Daher hatte ich schon viele Erfahrungswerte und war gar nicht mehr so überrascht davon, wie es bei einer großen Meisterschaft abläuft.“

Quelle: Jan Papenfuß

Gab es auf Ihrem Weg einen Mentor, der sie begleitet hat, von dem Sie lernen konnten?

Bauder: „Ein direktes Vorbild oder eine Einzelperson, die mir besonders zur Seite stand, habe ich nicht. Ich versuche immer zu beobachten und von vielen Personen Dinge aufzunehmen. Wie agieren sie, im Training, im Coaching, welche Übungsformen sind gut? Dann reflektiere ich das und überlege, wie ich es für mich anpassen und umsetzen kann. In Tokio konnte ich mich mit Fragen an das Trainer- und Betreuerteam des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) wenden. Aber besonders haben mir auch hier die Beobachtungen und Erfahrungen geholfen, die ich bei den vorherigen Meisterschaften oder bei großen Meetings wie in Götzis, Ratingen und Talence gemacht habe.“

Welche Rollen spielt für Ihre Arbeit die Leistungssportförderung in Baden-Württemberg?

Bauder: „Wir trainieren am Olympiastützpunkt und Bundesstützpunkt Stuttgart und profitieren von der Infrastruktur mit Trainingsstätten, Sportmedizin und Sportwissenschaft. Sowohl von Stadt und Land als auch vom Leichtathletik-Landesverband und vom Landessportverband erfahren wir viel Unterstützung. Sandrina absolviert im Rahmen der Spitzensportförderung der Landespolizei Baden-Württemberg ein duales Studium für den gehobenen Dienst. In der Jugend wurde sie von der Stiftung OlympiaNachwuchs Baden-Württemberg gefördert.“

Für Sandrina Sprengel war es ebenfalls eine WM-Premiere. Gar nicht so leicht, als Trainer Ruhe und Sicherheit zu vermitteln, wenn auch für Sie alles neu ist, oder?

Bauder: „Ich muss ehrlich sagen: Ich war vor der Meisterschaft so entspannt wie noch nie! Das Training lief super, Sandrina war in einer super Verfassung. Ich wusste, was sie draufhat – und sie wusste es auch. Daher war da schon mal Ruhe drin. Es war eine lockere Vorfreude. Sie stand nicht im Fokus und nicht unter großem Erwartungsdruck. Das hat es für mich in der Herangehensweise deutlich einfacher und entspannter gemacht. Ich habe versucht, ihr das auch so weiterzugeben: Sie soll sich auf sich selbst fokussieren, ihren Wettkampf machen und sich von den anderen nicht beeindrucken lassen.“

Und dann steigt sie im Olympiastadion von Tokio vor fast 60.000 Zuschauern in den Startblock. Eine Kulisse, die eine junge Athletin auch einschüchtern kann…

Bauder: „Auch das haben wir in den Wochen vorher vorbereitet. Wenn man mit Freude an den Wettkampf geht und weiß, was man draufhat, kann man auch mit dem Publikum interagieren. Das hat sie ab dem Hochsprung ziemlich schnell gemacht. Die Japaner sind eher zurückhaltend, aber wenn man sie mitnimmt, steigen sie voll ein, und dann ist das ganze Publikum da. Von Disziplin zu Disziplin wurde das einfacher. Sandrina hat ihre Lockerheit und ihre Art so in den Wettkampf gebracht, wie wir es besprochen hatten. Daher war das Coaching für mich insgesamt sehr, sehr einfach.“

Es war ein Wettkampf, der zu Beginn der Saison so nicht zu erwarten war.

Bauder: „Wir hatten einen super Einstieg in die Hallensaison, mit Bestleistung und einem Start bei der Hallen-EM. Und dann folgte draußen der „worst case“, mit der Oberschenkel-Verletzung gleich im ersten Wettkampf. Eigentlich lag 2025 die Priorität auf der U23-Europameisterschaft mit dem Ziel Medaille. Das war ihr sehr wichtig, das hat Sandrina so verinnerlicht, dass mit der verpassten Qualifikation für sie eine Welt zusammengebrochen ist. Die größte Herausforderung war es, sie danach wieder einzufangen und das aus ihrem Kopf rauszubekommen.“

Wie bewerten Sie auch angesichts dieses Saisonverlaufs die WM-Qualifikation und den WM-Auftritt von Sandrina Sprengel?

Bauder: „Besser hätte man die Geschichte nicht schreiben können. Schon bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden hat Sandrina brutale Nervenstärke bewiesen und ihre Leistung auf den Punkt abgerufen – sie wusste, dass sie eine Bestleistung braucht, um in Tokio dabei zu sein. Das dann hier fortzusetzen ist schon richtig stark. 6.400 Punkte hatte ich ihr grundsätzlich zugetraut, in der einen oder anderen Disziplin hatten wir uns sogar noch mehr erhofft, zum Beispiel über die Hürden. Daher war es nicht von Anfang an ein Wettkampf im Flow. Aber sie hat sich sehr gut reingearbeitet, und am Ende bleibt nur Positives hängen.“

Quelle: www.lsvbw.de