Landessportbünde

„Was passiert da überhaupt?“ – LSVBW-Fortbildungsangebot vermittelt Zykluswissen im Leistungssport

Oktober 2025

Der weibliche Zyklus findet zunehmend Eingang in Fort- und Weiterbildungen im Leistungssport. Im Oktober brachte der LSVBW Expertinnen der Universitäts-Frauenklinik und der Sportmedizin Tübingen mit jungen Athletinnen in Stuttgart zusammen.

Sozial nachhaltiger Leistungssport fußt auf der Ausbildung mündiger und selbstbestimmter Athletinnen und Athleten. Diese Erkenntnis konnte Prof. Dr. Stefan Grau im Rahmen eines langfristig angelegten Forschungsprojekts gewinnen. Sie dient dem Sportwissenschaftler zugleich als Grundlage für seine neue Rolle im Landessportverband Baden-Württemberg: Als Wissenschaftskoordinator, abgestellt von der Universität Tübingen, hat er unter anderem die Aufgabe übernommen, aktuelle Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung für den Sport aufzubereiten. Es gilt, Themen und Modelle für den Wissenstransfer zu entwickeln sowie in Zusammenarbeit mit den Leistungssportreferenten des LSVBW in spezifischen Schulungen zu vermitteln.

Von dieser Initiative profitierten im Oktober etwa 50 junge Sportlerinnen im Alter von 13 bis 16 Jahren. Sie nahmen in Stuttgart an der Weiterbildung „Mein Körper, meine Gesundheit – Zykluswissen für Leistungssportlerinnen“ teil. „Die Resonanz war hervorragend. Wir haben Anmeldungen und Anfragen aus ganz vielen Sportarten erhalten und schnell die Teilnehmergrenze erreicht“, berichtet Stefan Grau. Als Expertinnen konnte er die Gynäkologinnen Prof. Dr. med. K. Katharina Rall und Dr. med. Katharina Dreser von der Universitäts-Frauenklinik Tübingen sowie Allgemein- und Sportmedizinerin Dr. med. Christine Kopp von der Sportmedizin am Universitätsklinikum Tübingen gewinnen. Sie teilten ihr Wissen und ihre Erfahrungen rund um die Auswirkungen des Menstruationszyklus‘ auf Training, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden und auch über Verhütungsmethoden.

Was ist normal, was nicht?

„Die Sportlerinnen beschäftigen sich durchaus mit dem Thema, das erkennt man auch an den Fragen, die an uns herangetragen wurden“, stellte Katharina Rall fest. „Wir haben ihnen zum Beispiel vermittelt, dass Blutungs- und Zyklusstörungen innerhalb der ersten fünf Jahre nach Einsetzen der Periode sehr häufig auftreten. Unregelmäßige Blutungen, mal stärkere, mal schwächere: das ist normal, kann aber auch stören. Was nicht normal ist, ist, wenn die Periode ganz ausbleibt!“

Das Ausbleiben der Periode kann ein Zeichen für REDS sein, ein relatives Energiedefizit, das sowohl bei Sportlerinnen als auch bei Sportlern zu beobachten ist – im Leistungs- und im Breitensport. Energieverbrauch und Energiezufuhr stehen hier in einem gesundheitsgefährdenden Verhältnis. „Wir zeigen dann gerne ein Kreisdiagramm, in dem die gesundheitlichen Folgen und die Folgen für den Sport verdeutlicht werden“, erläutert Katharina Dreser. „Die Langzeit-Folgen für den Körper beunruhigen die Athletinnen in dem Alter meist noch nicht. Aber die zahlreichen negativen Auswirkungen auf ihre sportliche Leistung bringen sie oft zum Umdenken.“

An der sportmedizinischen Abteilung der Universität Tübingen wird seit mehreren Jahren eine interdisziplinäre REDs Sprechstunde für Athletinnen und Athleten angeboten. Eingebunden sind die Frauenklinik Tübingen, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Psychosomatik.

Viele Fehlinformationen im Internet

Reges Interesse vernahmen die Referentinnen am Thema Verhütung und der Frage, ob mit oder ohne Hormone. „Der allgemeine Trend in der jungen weiblichen Bevölkerung geht eindeutig weg von Hormonen und der Pille“, sagt Katharina Rall, die dafür aber keinen fundierten Anlass sieht. Bei Sportlerinnen spiele auch die Sorge um Gewichtszunahme oder Wassereinlagerungen eine Rolle. Aber: „Dafür gibt es bei den modernen Anti-Baby-Pillen keinerlei wissenschaftlichen Beweis.“

Die Expertinnen betonen: Die passende Verhütungsmethode sei ebenso individuell zu betrachten wie die Leistungsfähigkeit in den unterschiedlichen Zyklusphasen. „In den sozialen Netzwerken wird viel verbreitet, was nicht den Tatsachen entspricht“, erklärt Christine Kopp, die am Olympiastützpunkt (OSP) Stuttgart auch Sprechstunden für Kaderathletinnen und -athleten anbietet. Sie plädiert ebenso wie ihre Kolleginnen dafür, dass junge Sportlerinnen Eigenverantwortung übernehmen, sich mit ihrem Körper auseinandersetzen und auf Augenhöhe mit ihren Trainerinnen oder Trainern darüber sprechen.

Olympiastützpunkte bündeln Angebote

Die drei Olympiastützpunkte in Baden-Württemberg haben den Betreuungs- und Beratungsbedarf rund um den weiblichen Zyklus ebenso erkannt. Sie engagieren sich in der Wissensvermittlung, in der Beratung und in der Bereitstellung von Netzwerken.

Der OSP Freiburg bietet zum Beispiel Webinare an und vermittelt zu sportgynäkologischen Anlaufstellen am Universitätsklinikum, darüber hinaus besteht eine Kooperation mit dem evangelischen Diakoniekrankenhaus Freiburg. Am OSP Rhein-Neckar stehen bei Fragen oder Problemen Expertinnen aus den Bereichen Sportmedizin, Psychotherapie, Psychologie, Ernährung und Trainingswissenschaft zur Verfügung und haben den aktuellen Forschungsstand stets im Blick. Und in Stuttgart fand im Herbst neben der Weiterbildung für Nachwuchskader- Athletinnen auch ein Workshop für Bundeskader-Athletinnen statt.

All dies sind ausgewählte Beispiele für das stetig wachsende Angebot. Auch Stefan Grau hat gemeinsam mit LSVBW-Leistungssportreferent Linus Armbruster schon die nächsten Fortbildungen im Blick. Im kommenden Jahr rücken mit den Heimtrainerinnen und Heimtrainern sowie den Eltern von Talenten im Leistungssport im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit weitere Zielgruppen in den Fokus der Angebote.

Quelle: www.lsvbw.de