Stuttgart (SID) Laura Siegemund hat sich mit dem Sieg beim Heimspiel in Stuttgart einen Kindheitstraum erfüllt und ihren bislang größten Erfolg gefeiert. Mit Blick auf die French Open will sich die Psychologin aber nicht unter Druck setzen.
Der Kindheitstraum in ihrer Wohlfühloase ging für Laura Siegemund auf spektakuläre Weise in Erfüllung: mit einem Stoppball aus der Zauberkiste. Zu forschen Ankündigungen nach ihrer Stuttgarter Traumwoche und dem größten Erfolg ihrer Karriere ließ sich die Schwäbin mit Blick auf die anstehenden French Open (ab 28. Mai) aber trotzdem nicht verleiten.
„Klar ist Paris ein wichtiges Turnier. Und ich nehme auch viel Selbstvertrauen mit, aber eigentlich gucke ich noch gar nicht so weit“, sagte Wildcard-Inhaberin Siegemund nach ihrem 6:1, 2:6, 7:6 (7:5) in einem furiosen Finale gegen die ebenfalls ungesetzte Kristina Mladenovic (Frankreich).
Das Asche-Mekka von Roland Garros könnte für Siegemund („Sand ist mein Belag“) zur Bühne werden. Wer auf dem Weg zum Überraschungs-Coup beim WTA-Premierturnier in Stuttgart drei Top-Ten-Spielerinnen besiegt und diese phasenweise sogar vorführt, der darf auch voller Zuversicht Richtung Eiffelturm reisen. „Mein Spiel auf Sand kann für jede Gegnerin gefährlich sein, aber es ist eben nichts planbar“, sagte sie.
Siegemund weiß als Psychologin nur zu gut: Eine hohe Erwartungshaltung kann Ballast sein. Ihre Bachelor-Arbeit mit der Note 1,3 schrieb die extrovertierte 29-Jährige, die im Juniorinnenalter als neue Steffi Graf galt, zum Thema „Versagen unter Druck“.
Die Tage von Stuttgart haben bewiesen, wie stark Siegemund auch mental sein kann. Bewusst hatte sie ihre Finalteilnahme in der Schwabenmetropole 2016 ausgeblendet („Dafür kann ich mir nichts kaufen“).
Siegemund schlief während des Turniers im Hotel und nicht in ihrer nahegelegenen Wohnung. Sie war extrem fokussiert. So sehr, dass der Fed-Cup-Spielerin gar nicht so recht klar war, was sie neben dem Preisgeld in Höhe von 107.036 Euro noch mitnehmen durfte. Es war ein feuerroter Sportwagen.
Die Siegemund-Party geriet nach dem zweieinhalbstündigen Finalkrimi nur kurz ins Stocken. Etwas ruckelnd fuhr die Metzingerin das 450 PS starke Auto auf den sandigen Centre Court.
Ihre Unbekümmertheit hatte Siegemund in ihrem „zweiten Wohnzimmer“ aber wenig später zurück, als Konfettiregen ihren bisher größten Erfolg vergoldete. „Das war ein unglaubliches Spiel und mein schönster Sieg. Die Atmosphäre war gigantisch“, sagte der Publikumsliebling.
Als Lohn für ihren zweiten WTA-Titel nach Bastad/Schweden 2016 kletterte Siegemund in der Weltrangliste von Rang 49 auf 30. Dabei hatte die Saison mit sechs Auftakt-Niederlagen in den ersten sieben Turnieren enttäuschend begonnen. „Aber es sah schlechter aus, als es war. Eine Krise war es nicht“, meinte Siegemund, die auch von einer Ellbogenverletzung geplagt wurde.
In Stuttgart brachte der blonde Lockenkopf die Arena zum Kochen. „So eine Stimmung habe ich noch nie erlebt“, meinte Mladenovic, die im Achtelfinale Titelverteidigerin Angelique Kerber ausgeschaltet hatte.
Mit ihren schwarzen Kniestrümpfen, den breiten Schweißbändern und dem Stirnband wirkte Siegemund so, als sei sie auf jede Schlacht auf dem Court vorbereitet. „Einiges ist Intuition, aber im Gros ist schon alles strategisch durchdacht“, meinte Siegemund.
Von der großen Martina Navratilova erhielt sie eine besondere Twitter-Botschaft: „Du musst dir einfach jede Woche vorstellen, dass du in Stuttgart spielst. Dann wirst du für kein Turnier mehr eine Wildcard brauchen.“