Stuttgart (SID) Joachim Löw war so beseelt von der „Schönheit des Fußballs“ und diesem „friedvollen, fröhlichen Fußballfest“ in Stuttgart, dass er sich ein Souvenir stibitzte. Ein Spielball soll den Bundestrainer beim „Hobbykick“ (Löw) mit Freunden auch künftig an das berauschende 6:0 (4:0) der deutschen Weltmeister im WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen erinnern – an die starke Reaktion der Fans nach dem Nazi-Eklat von Prag, an Fußball vom Allerfeinsten und an die „Rakete“ Timo Werner.
„Wir haben hier in Stuttgart erlebt, wie schön Fußball sein kann, wie viel Spaß es machen kann“, schwärmte Löw, ehe er die Mercedes-Benz Arena in Trainingshose mit Ball unter dem Arm und strahlendem Gesicht verließ. Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel war „sehr glücklich“ über die „warmherzige, fröhliche Stimmung“ der Schwaben, die sonst gerne „ein bisschen bruddeln“, wie Löw schnippisch anmerkte. Zum Meckern gab es an diesem laut Mats Hummels „rundum gelungenen Abend“ allerdings keinen Anlass.
Da war der Aufstand der Anständigen gegen die „paar Idioten“ beim Spiel in Tschechien, wie Hummels die Nazi-Hools noch einmal nannte. Da war das „feine Gespür“ (Grindel) des Publikums für den zuletzt über Monate geschmähten Ex-Stuttgarter Werner, der sich mit einem Doppelpack (21., 40.) und warmen Worten bei „seinen“ Fans bedankte.
Und da war eine Mannschaft, die einen „anderen Zug, andere Dynamik im Spiel“ hatte als noch in Prag, wie Löw zufrieden hervorhob. Sogar Sorgenkinder wie die Torschützen Mesut Özil (10.) und Julian Draxler (17.) oder der zweimalige Vorbereiter Thomas Müller brillierten. „Jeder Spieler konnte sich hier aufbauen“, bilanzierte Manager Oliver Bierhoff.
Allen voran Werner. Vom Buhmann zur… „Rakete“, vervollständigte Löw den Satz eines Fragestellers. Löw schwärmte von seinem neuen Stürmer Nummer eins und dessen Läufen in die Tiefe, Werners „brutalem Zug zum Tor“, seiner Schnelligkeit. „Das tut dem Gegner extrem weh, ist extrem schwer zu verteidigen und für unser Kombinationsspiel sehr gut.“
Konkurrent Mario Gomez, der nach dem Treffer von Leon Goretzka (50.) den Schlusspunkt gesetzt hatte (79.), sieht Werner schon als legitimen Nachfolger von Rekordtorschütze Miroslav Klose. „Er wird die nächsten zehn Jahre den deutschen Sturm dominieren und auch in Europa, wenn er so weitermacht“, sagte Gomez. Er habe eine „Gänsehaut“ bekommen, als die Anhänger Werners Namen gerufen haben.
Ob Werner selbst ähnlich gerührt war, ist nicht bekannt, der 21-Jährige spricht nicht so gerne über seine Gefühle. Aber, betonte der Leipziger nach der beglückenden Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte, „man spielt viel, viel lieber, wenn man von den eigenen Fans bejubelt statt ausgepfiffen wird“. Als Stürmer Nummer eins fühle er sich aber noch nicht, „wir haben so viele gute Stürmer“. Jedoch keinen wie ihn. Werner sorge dafür, „dass die deutsche Nationalmannschaft noch besser wird“, sagte Hummels.
Und wie gut sie gegen bedauernswerte Norweger war! „Brillant kombiniert“ habe sie, sagte Löw, und so die 53.814 Fans mitgerissen, „daher war es eine wunderschöne Geschichte“. Gomez, bis zur 66. Minute Zuschauer, schwärmte: „In der ersten Halbzeit habe ich auf der Bank gesessen und gedacht: Was haben wir für eine geile Mannschaft?!“
Nur Nordirland, in Gruppe C nach dem 2:0 gegen Tschechien weiter fünf Punkte hinter dem Tabellenführer zurück, wollte nicht mitspielen. Beim „Endspiel“ um das WM-Ticket am 5. Oktober in Belfast reicht aber ein Punkt. „Ich bin froh, dass Nordirland gewonnen hat, weil jetzt noch ein bisschen Knistern in der Gruppe ist“, sagte Löw, der „ein Spiel mit Brisanz“ erwartet. Das, fügte er an, „hält die Spannung hoch“ – und so soll es auf dem Weg zur historischen Titelverteidigung sein.
Vorher will Löw aber selbst erst einmal ein bisschen kicken. „Wir spielen donnerstags immer Fußball mit einigen Jungs, und unser Ball ist kaputt“, sagte er über sein Souvenir: „Jetzt habe ich mir gedacht, ich muss mal wieder einen guten Ball mitbringen, für die Techniker.“