Berlin (SID) Die Form stimmt, nun tickt die Uhr: Die Spanien-Länderspiele Ende Oktober waren für die deutschen Handballer die letzte Bewährungschance vor der Nominierung des EM-Kaders. Die Frauen fiebern unterdessen ihrer Heim-WM entgegen.
Ob er mit Bundestrainer Christian Prokop tauschen wolle? Uwe Gensheimer verzog das Gesicht und schüttelte eilig den Kopf. „Wir haben sehr viele junge und gute Spieler an Bord. Das wird eine harte Nuss für den Coach“, sagte der Kapitän der deutschen Handballer zum teaminternen Kader-Casting. Nach den letzten Testspielen vor der Nominierung seines EM-Aufgebots hat Prokop nun die Qual der Wahl.
Doch der Bundestrainer ließ sich nach dem überzeugenden 28:24-Erfolg gegen Vize-Europameister Spanien nicht in die Karten gucken. „Dass weitere Spieler zum Kader stoßen, ist möglich“, sagte Prokop und setzte sein Pokerface auf: „Ich werde jetzt die Woche analysieren und weiter beobachten. Aus diesen Erkenntnissen werde ich dann eine hoffentlich erfolgreiche Mannschaft zusammenstellen.“ Die Uhr tickt.
Bis zum 5. Dezember muss der 38-Jährige den 28 Spieler umfassenden Kader für die EM in Kroatien (12. bis 28. Januar 2018), sein erstes großes Turnier als Bundestrainer, beim europäischen Verband gemeldet haben. Nur aus diesem Pool an Spielern darf Prokop dann sein finales Aufgebot für die Mission Titelverteidigung benennen.
Aufgrund der hohen Leistungsdichte dürfte es einige Härtefälle geben, bevor sich das Team am 28. Dezember zum nächsten Lehrgang für den letzten Feinschliff trifft. Während Leistungsträger wie Torjäger Gensheimer und das Abwehrbollwerk um Finn Lemke und Hendrik Pekeler oder auch das Torhütergespann Andreas Wolff und Silvio Heinevetter gesetzt sein dürften, ist vor allem auf den Außenpositionen nach wie vor alles offen. Selbst Europameister wie Rune Dahmke und Tobias Reichmann, die bei den Spanien-Länderspielen nicht dabei waren, müssen um ihre Plätze bangen.
Prokop wollte sich an den Spekulationen jedoch partout nicht beteiligen und wirkte eher genervt von der anhaltenden Personaldebatte. Für ihn steht das Kollektiv über allem. „Wir müssen bei der EM hungrig sein, wir können nur über das Team gewinnen“, sagte er.
Diese Marschroute scheint sein Team verinnerlicht zu haben. Ego-Trips hat es trotz des team-internen Konkurrenzkampfes in der intensiven Lehrgangswoche jedenfalls nicht gegeben. Auch von der enttäuschenden Vorstellung bei der 24:26-Niederlage im ersten Spielen gegen die Iberer ließ sich der Europameister nicht irritieren und zeigte am Sonntag ein vollkommen anderes Gesicht. „Wir haben gezeigt, dass jeder für den anderen kämpft. Jetzt liegt es an Christian, wen er das nächste Mal einlädt“, sagte Rückraumspieler Paul Drux.
Auch bei den Frauen wächst allmählich die Anspannung. Der überraschend deutliche 36:26-Erfolg gegen Vizeweltmeister Niederlande sorgt einen Monat vor der Heim-WM für Zuversicht im deutschen Lager. „Schön, dass wir nochmal so ein gutes Spiel zum Abschluss hatten. Wir nehmen viel Selbstbewusstsein mit“, sagte Emily Bölk, die mit ihren 19 Jahren schon zu den großen Hoffnungsträgerinnen zählt.
Wie ein Schwamm saugte sie ebenso wie ihre Mitspielerinnen die famose Stimmung in den ausverkauften Hallen in Magdeburg (23:18-Sieg) und Berlin auf. „Das war unfassbar. Das wird uns ganz doll in Erinnerung bleiben“, sagte Bölk und blickte bereits auf das Eröffnungsspiel gegen Kamerun am 1. Dezember voraus: „Die Vorfreude wächst. Wir zählen schon die Tage.“ Erklärtes Ziel des EM-Sechsten ist der Kampf um die Medaillen.