Das dreitägige Schützenfest zählte im Veranstaltungskalender der Kleinstadt O. im Westfälischen seit Jahrzehnten zu den absoluten Höhepunkten des Jahres; in der Regel kamen insgesamt mehr als 2.000 Besucher zu den drei Festtagen.
Auch in diesem Jahr sollte am Schützenfest-Montag beim „Vogelschießen“ der neue Schützenkönig gekürt werden; zum Rahmenprogramm dieses Tages zählte seit einigen Jahren auch das sogenannte „Standböllern“. Die dafür verwendeten fünf Standböller waren restaurierte Originale historischer Vorbilder, die mit jeweils 400 Gramm Schwarzpulver befüllt wurden.
Schon morgens um 7.00 Uhr trafen sich die Mitglieder des eigens vor Jahren gegründeten „Böllergruppe“, um wie jedes Jahr das Material zu testen, ehe dann um 9.00 Uhr die Schützenkompanien Einzug halten sollten.
Um die Funktionsfähigkeit zu testen, wurde mit jedem Böller auch ein Probeschuss abgegeben. Obwohl die „Böllerkanoniere“ bei diesem Test auf einer waldumsäumten Wiese direkt neben einem Waldweg standen, hatte – noch – niemand für Absperrungen gesorgt. Alle hatten darauf vertraut, dass der Wald um diese Uhrzeit wie immer menschenleer sein würde.
Der Zufall aber wollte es, dass just in dem Moment, als die fünf Standböller nacheinander abgefeuert wurden, ein Jogger direkt aus dem Wald auf den Kiesweg lief. Im Gegensatz zu den Kanonieren, die natürlich einen umfangreichen Gehörschutz (Ohrstöpsel und Kopfhörer) trugen, war der Jogger der vollen Lautstärke der abgefeuerten Böller damit aus nächster Nähe ausgesetzt. Die Folge: Ein schweres Knalltrauma und eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung.
Die Prüfung durch die ARAG Versicherung, bei der der Schützenverein über den Landessportbund versichert war, ergab eine klare und eindeutige Sachlage: Der Verein hatte seine Verkehrs-sicherungspflicht verletzt, als er ohne Absperrung oder sonstige Warnungen die Böller in der Nähe des Waldweges abfeuerte. Hierbei spielte auch keine Rolle, dass diese Vorgehensweise jahrelang Usus und bisher noch nie etwas passiert war.
Den Jogger selbst traf kein Mitverschulden, da er die Böllerschützen zunächst nicht hatte sehen können und auch nicht damit rechnen konnte, dass die Böller abgefeuert werden würden. Er erlitt ein schweres Knalltrauma, was eine wochenlange Behandlung zur Folge hatte und auch zu einer dauerhaften Beeinträchtigung in Form von Ohrgeräuschen (Tinnitus) führte.
Die ARAG übernahm nicht nur die Behandlungskosten (die die Krankenkasse des Joggers später aus übergegangenem Recht geltend machte), sondern zahlte auch ein Schmerzensgeld in vierstelliger Höhe an den Jogger aus. Dazu kamen noch die durch den Arbeitsausfall des beruflich selbstständigen Verletzten entstandenen Kosten.
Damit hatte die Nachlässigkeit des Schützenvereins doch ganz erhebliche Folgen, die aber im vorliegenden Fall glücklicherweise nicht vom Verein, sondern der bestehenden Haftpflichtversicherung übernommen wurden.