Berlin (SID) Feucht und fröhlich feiert Union Berlin den lang ersehnten Bundesliga-Aufstieg – und natürlich auch sich selbst. Der etwas andere Klub will auch im Konzert der Großen anders bleiben.
20 Jahre hat Union-Präsident Dirk Zingler auf diesen Moment gewartet – doch dann flüchtete er vor dem Getümmel aufs Stille Örtchen. Den Abpfiff beim 0:0 gegen den VfB Stuttgart habe er nicht erlebt, „da war ich mit meiner Frau weg, sie auf der Damentoilette und ich auf der Herrentoilette“, berichtete der Klub-Boss, der die ekstatischen Jubelszenen im Stadion zuerst gar nicht mitbekam.
Als der erste Aufstieg in die Fußball-Bundesliga feststand, spielten sich im Stadion unglaubliche Szenen ab. Einige Tausend Fans fluteten in einem Affentempo den Rasen, eine riesige Anspannung entlud sich. Sie griffen sich ihre Helden, tanzten mit ihnen auf dem Rasen und auf der Trainerbank, schrien, kreischten, tobten. Raketen flogen in die Luft, rot-weißer Rauch legte sich über die Jubelszenerie.
Trainer Urs Fischer war pitschnass, musste mehrere Bierduschen über sich ergehen lassen. „Das ist einfach nur geil“, sagte der Schweizer ungewohnt euphorisch nach dem Relegationsrückspiel. Die Spieler waren baff. „Wahnsinn, ich habe noch immer Gänsehaut. Jeder Fan, der zu mir kam, hat sich bedankt. Ich könnte gleich heulen“, meinte Mittelfeldspieler Robert Zulj.
Als 56. Verein seit 1963 gelang Union der Aufstieg ins Oberhaus. In den letzten acht Jahren landete der Kultklub in der 2. Liga immer in den Top-Ten, doch erst jetzt gelang der Aufstieg. „Die Leute hier haben sich so danach gesehnt. Es ist ein geiles Gefühl, ihnen das zu geben“, sagte Geschäftsführer Oliver Ruhnert.
Zingler, der seit Jahren auf diesen Moment hingearbeitet hatte, taumelte freudetrunken durch die Katakomben, nahm jeden Ordner in den Arm. „Es ist surreal, ich fasse das gar nicht“, meinte der Klub-Boss. „Ich gehe seit 40 Jahren zu diesem Verein, seit 20 Jahren habe ich darauf gewartet, auf dieses Spiel, auf dieses eine Spiel, und wir haben es gezogen.“
Viele Fans weinten hemmungslos. Sie hatten 2004 Blut gespendet und das Geld dem Klub gegeben, als der Absturz drohte, sie bauten mit eigenen Händen das Stadion aus. Einige von ihnen wollten nicht aufsteigen, aus Angst vor der Kommerzialisierung. Und jetzt? Jetzt kommen die Bayern, kommen Borussia Dortmund und Schalke 04 in die Alte Försterei.
Für die Aufstiegshelden war an Schlafen nicht zu denken. Mit 600 Freunden und VIPs kaperten sie in der Nacht die Eiserne Lounge im Stadion. „Als ich um vier Uhr nach Hause ging, war das Ende noch nicht in Sicht“, sagte am Tag danach Pressesprecher Christian Arbeit, dem sie die langen Haare gestutzt hatten.
Am Mittwoch nach dem Aufstieg wurde dann nachgelegt. Erst eine Schifffahrt auf der Spree, dann eine Jubelfeier auf dem Rathausbalkon – natürlich in Köpenick, nicht im Roten Rathaus in Berlin-Mitte. Der neue Liga-Rivale Hertha BSC wird alles verfolgen, bei der Alten Dame wurde in der Vergangenheit selten so intensiv gefeiert.
Welche Rolle wird Union Berlin, das als fünfter Klub der ehemaligen DDR-Oberliga den Sprung in die Bundesliga geschafft hat, spielen? Verstärkungen sind nötig. Mit Julius Kade (Hertha) und Florian Flecker (Hartberg/Österreich) sollen zwei junge Mittelfeldspieler kommen, dazu zwei Abwehrspieler.
Finanziell planen die Eisernen mit einem ambitionierten Lizenzspieler-Etat von rund 40 Millionen Euro, ab dem nächsten Jahr soll dazu das Stadion von 22.000 auf 37.000 Plätze ausgebaut werden. Das Geld fließt, ein Zurück gibt es nicht mehr – auch wenn Punk-Diva Nina Hagen in der Stadionhymne weiter singt: „Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union, Eisern Union.“