Lake Louise/München (SID) Was für ein Comeback! Thomas Dreßen schreibt bei seiner Rückkehr in den Weltcup ein Jahr nach seiner schweren Knieverletzung sein eigenes Ski-Märchen und gewinnt sensationell die Abfahrt von Lake Louise.
Im Moment seiner märchenhaften Rückkehr auf den Abfahrtsthron dachte Thomas Dreßen an seine Liebste. „Biggi, danke!“, rief er berauscht von seinem völlig überraschenden Comeback-Sieg in Lake Louise in die TV-Kamera – und Freundin Birgit freute sich zu Hause vor dem Fernseher mit ihrem Thomas.
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, das ist einfach nur geil“, sagte Dreßen mit von einer Erkältung heiserer Stimme, „das ist verrückt!“ In der Tat: Sein Triumph auf den Tag genau ein Jahr nach dem schlimmen Sturz in Beaver Creek mit dem Totalschaden im rechten Knie glich einem Wunder. Und er machte den Kitzbühel-Sieger mit jetzt drei Erfolgen zum erfolgreichsten deutschen Abfahrer der Geschichte.
„Wenn du so lange weg warst und dann gleich das erste Rennen gewinnst – das ist außerhalb jeder Norm“, sagte DSV-Alpinchef Wolfgang Maier verblüfft, „das schafft vielleicht einer von 100.“ Dreßen sei für ihn „der herausragende deutsche Abfahrtssportler, auch wenn der Wasi vielleicht sagt: ‚Der Maier spinnt!'“ Doppel-Olympiasieger Markus Wasmeier hatte es wie Sepp Ferstl „nur“ auf zwei Weltcupsiege in der Königsdisziplin gebracht.
„Das ist überwältigend“, sagte Dreßen nach seinem „schönsten Sieg“ mit dem obligatorischen Cowboyhut auf dem Kopf und hustete. „Wenn ich mir das überlege: Vor einem Jahr hänge ich im Netz und habe Weh wie die Sau“, fügte der 26-Jährige ungläubig an. Schmerzfrei sei er zwar immer noch nicht, sogar das Treppensteigen falle ihm mitunter schwer – zu viel war ja kaputt: Kreuzband, Innen- und Außenmeniskus, Knorpel, Innenband, Schulter. „Ich kann zumindest fahren“, sagte Dreßen, „aber dass es so aufgeht, Wahnsinn!“
Bei traumhaften Bedingungen in den kanadischen Rocky Mountains hatte er perfektes Material und fuhr gefühlvoll, als wäre er nie weg gewesen. Hauchdünne 0,02 Sekunden lag er letztlich vor Super-G-Weltmeister Dominik Paris aus Südtirol. „Das ist einfach der Thomas, er ist der perfekte Abfahrer“, sagte Josef Ferstl, der direkt vor dem neuen Teamkollegen Romed Baumann 14. wurde.
Dreßens Erfolgsrezept? Lockerheit. Vor dem Rennen habe er zu seinem Servicemann gesagt: „Endlich wieder Rennen fahren, lassen wir’s krachen!“ Das tat er – und wie! Erinnerungen an den im Frühjahr zurückgetretenen Speed King Aksel Lund Svindal (Norwegen) wurden wach, dem 2007/08 nach einem Horrorsturz in Beaver Creek ein vergleichbares Comeback gelungen war.
„Solche Erfolge sind das Lebenselixier für uns alle“, sagte Maier beseelt, „wir haben in den letzten zwei Jahren bitter einstecken müssen, das ist jetzt richtig cool.“ Der Rückkehr-Prozess bei Dreßen sei allerdings noch nicht abgeschlossen: „Er ist noch nicht fertig in der Entwicklung.“
Dreßen bestätigte dies, im Training sei er noch sehr unkonstant. Dass es bei der Rückkehr nach Beaver Creek am kommenden Wochenende genau so gut laufen werde, könne er nicht garantieren. „Aber es ist völlig egal, was noch kommt in dieser Saison“, sagte Dreßen, „ich kann happy sein und einfach nur noch Spaß haben.“