Paris/Berlin (SID) Die Corona-Pandemie hat die Olympischen Spiele 2024 in Paris erreicht. In Frankreich, das von der Krise besonders stark betroffen ist, setzt ein Umdenken ein.
Paris 2024 sollte ein rauschendes Fest werden: 100 Jahre nach der Premiere an der Seine wollten die Franzosen „innovative“ und „großzügige“ Olympische Spiele feiern. Doch die Coronakrise hat ein Umdenken in Gang gesetzt, vor allem der Gigantismus steht am Pranger.
„Die Krise, die wir durchmachen, wirkt sich nachhaltig auf unser alltägliches Leben aus“, erklärte Frankreichs früherer Sportminister Guy Drut. Der Hürdensprint-Olympiasieger von 1976 mahnte: „So etwas darf nicht ohne die Konsequenz bleiben, dass wir uns neu erfinden müssen. Das gilt auch für Olympischen und Paralympische Spiele.“
Drut ist heute noch ein wichtiger Mann im französischen Sport, eines von drei Mitgliedern des Landes im derzeit 100-köpfigen Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und somit sehr einflussreich. „Die Spiele von gestern werden nicht mehr die Spiele von morgen sein“, meinte der 70-Jährige: „Wir müssen das akzeptieren und gemeinsam ein neues Konzept erstellen.“
Frankreich macht gerade sein ganz eigenes Corona-Trauma durch. 169.000 Menschen sind laut Gesundheitssystem mit dem Virus infiziert worden, vor allem die hohe Anzahl von Toten (23.694) lässt die Grande Nation entsetzt zurück. Längst getrübt ist auch die Euphorie aus dem Herbst 2017, als man im Zuge der Doppelvergabe mit Los Angeles für 2028 in Lima/Peru vom IOC den Zuschlag für die Sommerspiele in vier Jahren erhalten hatte.
Drut forderte, dass man sich nun auf das Wesentliche konzentrieren solle und in einem ersten Schritt die Kosten neubewerten müsse. Frankreichs Sportminister unter Jacques Chirac geißelte das Vorhaben, die Surfwettbewerbe wegen der besseren Wellen im über 15.000 Kilometer entfernten Tahiti auszutragen. Auch solle man die Hinzunahme weiterer Sportarten dringend überdenken.
Das IOC reagierte verärgert auf Drut. „Seine Botschaft stiftet Verwirrung“, sagte Pierre-Olivier Beckers-Vieujant, Chef der IOC-Koordinierungskommission für Paris 2024, der Zeitung Le Soir. Drut erwecke den Eindruck, dass Paris 2024 vor allem bezüglich der Finanzen nicht einheitlich, respektvoll und voller Verantwortung vorgehe, beklagte der Belgier.
So oder so, wahrscheinlich wird Paris eh dazu gezwungen sein, kleinere Brötchen zu backen. Der Etat von 6,6 Milliarden Euro scheint nicht mehr zu halten sein, sollte die Coronakrise der Wirtschaft weiterhin so zusetzen. Vor allem das Engagement nationaler Sponsoren muss neu überprüft werden.
Das sieht auch Tony Estanguet so. Der dreimalige Kanu-Olympiasieger ist Chef des Organisationskomitees von Paris 2024 und wie Drut im IOC. Der smarte Estanguet räumte längst ein, dass bestimmte Wirtschaftsbereiche potenzieller Sponsoren für 2024 deutlich geschwächt seien. „Vielleicht müssen wir diesen Unternehmen zunächst etwas Zeit für den Wiederaufbau geben“, sagte der 41-Jährige.
Zusätzlich könnte auch die Verschiebung der Olympischen Spiele von Tokio ins Jahr 2021 einen negativen Effekt für Paris haben. Für potenzielle Wirtschaftspartner könnte die Zeit ohne Olympia und ohne Ausgaben zwischen den Spielen zu kurz sein, auch wenn Philippe Bailly von der Medien-Beratungsagentur NPA Conseil in Paris Olympische Spiele nach wie vor für unverletzlich hält: „Es ist wie mit dem Elefanten im Porzellanladen. Wenn sich der Elefant bewegt, bricht das Porzellan, die anderen Ereignisse leiden, nicht die Olympischen Spiele.“