Köln (SID) Edina Müller (Foto: DBS) ist nach einem fatalen Behandlungsfehler seit 20 Jahren querschnittsgelähmt. Den Alltag aus Muttersein, Leistungssport und Job meistert die Para-Kanutin auch im Rollstuhl eindrucksvoll.
Vollzeitmama, Leistungssportlerin und bald sogar wieder Sporttherapeutin: All diese Herausforderungen meistert Para-Kanutin Edina Müller mit Bravour – und das sogar im Rollstuhl. „Sie ist nicht nur eine große Sportlerin, sondern ein beeindruckender Mensch“, lobte Friedhelm-Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, nicht umsonst gegenüber dem Sport-Informations-Dienst. Die querschnittsgelähmte Hamburgerin ist mit ihrer beeindruckenden Lebensgeschichte gerade für Sportlerinnen mit Kleinkindern ein perfektes Vorbild.
„Ich habe den Kleinen immer bei mir. Er nimmt die Situation super an und macht es mir echt leicht weiter Leistungssport zu machen“, sagte die 36-Jährige dem SID: „Es gibt natürlich auch Tage, an denen ich müde war oder er mal nicht gut drauf ist. Dann wird es schon anstrengender, aber überwiegend läuft das sehr gut.“
Nur sieben Wochen nach der Geburt von Liam im Januar 2019 nahm die Weltmeisterin von 2016 wieder das Training auf – als Ziel schwebten am Horizont immer die Paralympics 2020. Beflügelt von der Geburt löste die frischgebackene Mama überraschend bereits im August 2019 bei der WM ihr Tokio-Ticket im Kajak-Einer: „Ich bin mit großer Lockerheit rangegangen. Ich hatte plötzlich etwas, was wichtiger war als der Sport“, sagte Müller, die diesem Credo auch im Training folgt.
„Wenn ein Training wegen dem Kleinen ausfällt, ist das nicht so schlimm für mich“, erklärt die gebürtige Rheinländerin: „In den Trainingseinheiten, die ich dann mache, bin ich voll fokussiert und koste die voll aus.“ Ausfälle kommen aber ohnehin nur selten vor. 2019 war der mittlerweile 14 Monate alte Sohnemann bei allen Trainingslagern und Wettkämpfen dabei, Edinas Gatte oder Mama reisen immer mit und helfen beim Aufpassen.
Dass der Spagat aus Leistungssport und Muttersein im Rollstuhl besonders schwer ist, findet die diplomierte Sporttherapeutin nicht: „Es ist generell eine Herausforderung, weil man sich als Sportlerin an die Bedürfnisse des Kindes anpassen muss. Man muss im Rollstuhl vielleicht nur etwas mehr organisieren und vorarbeiten, dann funktioniert alles sehr gut.“
Schwere Dinge leicht aussehen lassen, war bereits zuvor eine beeindruckende Eigenschaft Müllers. Bis 2014 war sie noch eine Weltklasse-Rollstuhlbasketballerin, gewann unter anderem 2008 Silber und 2012 Gold bei den Paralympics. Doch irgendwann „brannte“ sie trotz aller Erfolge nicht mehr dafür und der fließende Sportarten-Wechsel klappte nahezu spielerisch.
„Eigentlich wollte ich nie mehr Leistungssport machen. Ich habe nach meinem Karriereende verschiedene Sportarten im Rollstuhl ausprobiert – Kajak war eine davon.“ Eine „Verkettung günstiger Umstände“ später, schockte sie erst die nationale Elite und paddelte dann bei ihrem Debüt auf internationaler Bühne bei der EM gleich auf Platz zwei. Spätestens damit habe sie ihre „Sportart gefunden“, sagte Müller.
Schließlich war dies ja schon ihr zweiter Sportarten-Wechsel. Vor 20 Jahren hatte sie ihre Volleyballkarriere gezwungenermaßen aufgeben müssen. Bei der Behandlung ihrer Rückenbeschwerden unterlief einem Arzt ein folgenschwerer Fehler, Müller ist seitdem querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. „Ich hadere nicht mehr damit“, sagte die dreimalige Medaillengewinnerin bei Paralympics: „Es liegt ganz viel an einem selber, was man dann daraus macht. Man muss aufstehen und die Situation so akzeptieren, wie sie ist.“
Dies muss sie auch mit der Verlegung der Paralympics auf das Jahr 2021 tun. Zur besseren Vorbereitung hatte Müller in 2020 extra ihre Elternzeit verlängert, vor dem erneuten Anlauf wird sie allerdings ab November wieder in ihren Beruf als Sporttherapeutin zurückkehren müssen. Doch auch diese Herausforderung wird sie – wie so viele in ihrem Leben – sicher meistern.