München (SID) Ski-Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg beendet überraschend ihre Karriere. Beim Deutschen Skiverband reißt sie eineinhalb Jahre nach dem Abschied von Felix Neureuther die nächste große Lücke.
Es ist noch keine vier Wochen her, da postete Viktoria Rebensburg ein Foto, auf dem deutlich erkennbar ist, dass sie beste Laune hat. Aufgenommen wurde es beim Training in Saas-Fee, die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau, die Olympiasiegerin lacht. Unter das Foto schrieb die beste deutsche Skirennläuferin der vergangenen Jahre: Dies sei das „Lächeln, wenn Du wieder den Schnee unter Deinen Füßen fühlst“. Dieses Foto ist nun das letzte seiner Art.
Irgendwann seit dem 5. August muss Rebensburg (30) dieses Lächeln verloren haben, wenn sie den Schnee unter den Füßen fühlte. Am 1. September jedenfalls stellte sie sich auf den Hang nahe des Tegernsees, wo ihre Karriere einst begonnen hatte, und sagte: Ich trete zurück. Begründung: „Von klein auf war es immer mein Anspruch und mein Ansporn, um Siege mitzufahren, aber dem Anspruch kann ich jetzt nicht mehr gerecht werden.“ Daher sei es „unausweichlich, diese Entscheidung zu treffen“.
Es ist ein jähes Ende nach einmal Gold (2010) und einmal Bronze (2014) bei Olympia, nach zweimal Silber bei einer WM (2015 und 2019/jeweils im Riesenslalom), nach 19 Siegen im Weltcup und dreimaligem Gewinn der Riesenslalom-Gesamtwertung. „Für uns“, sagte DSV-Alpinchef Wolfgang Maier dem SID, „ist das ein Worst-Case-Szenario, wenn die Galionsfigur in einer noch dazu schwierigen Phase wegfällt“. Zugleich zeigte er „großes Verständnis“ für Rebensburgs Erkenntnis.
Auch Felix Neureuther, der seinen Abschied vom Rennsport im März 2019 mit einer Champagnerdusche von Rebensburg genommen hatte, war baff. „Was? Echt? Ich bin ein bisschen schockiert“, sagte er. „Vor zwei Wochen“, berichtete der 36-Jährige, „war ich noch mit ihr unterwegs, da hat sie nichts gesagt“. Für den DSV sei das „schon ein Brett, Halleluja“, ergänzte Neureuther, für Rebensburg allerdings freue ihn, „dass sie eine Entscheidung getroffen hat, mit der sie zufrieden ist“.
Die Erkenntnis, dass sie nicht mehr „mein Topniveau“ erreichen könne, sei bei den vergangenen Schneetagen „und in den letzten Monaten“ gereift, sagte Rebensburg in dem eineinhalbminütigen Video. Tatsächlich hatte sich in der vergangenen Saison angedeutet, dass sie vor allem im Riesenslalom nicht mehr das letzte Risiko gehen konnte oder wollte. In der Abfahrt konnte sie allerdings noch einmal alles aus sich herausholen: Am 8. Februar siegte sie auf der Kandahar in Garmisch. Es war ihr einziger Sieg in der alpinen Königsdisziplin.
Das erste Mal für Aufmerksamkeit gesorgt hatte Rebensburg bei der WM 2007 in Are/Schweden, als sie, bereits hochdekoriert bei Junioren-Weltmeisterschaften, Rang acht im Riesenslalom belegte. Drei Jahre später raste sie dennoch beinahe aus dem Nichts zu olympischem Gold – in einem verrückten Rennen, das witterungsbedingt an zwei Tagen ausgetragen werden musste. Erst im folgenden Oktober gewann sie in Sölden erstmals im Weltcup – es folgte ein Jahrzehnt in der Weltklasse.
Dennoch war die Karriere von Rebensburg auch von verpassten Chancen geprägt: Ein Gesamtweltcupsieg gelang ihr nie, obwohl sie, ausgenommen den Slalom, alle Disziplinen beherrschte. Oft leistete sie sich unerklärliche Fehler, etwa bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang, als sie in Riesenslalom und Super-G Medaillen verschenkte. Am besten war Rebensburg, wenn sie nichts zu verlieren hatte: Unvergessen ist ihr wilder Ritt zu WM-Silber 2015 – nach Platz elf im ersten Durchgang.
Und dennoch: „Sie hat brutal viel erreicht, darauf kann sie stolz sein“, sagte Maier.