München (SID) Pionierin Bibiana Steinhaus hat ihre Pfeife an den Nagel gehängt. Die erste Schiedsrichterin der Bundesliga wird dem Fußball dennoch erhalten bleiben.
Bibiana Steinhaus genoss ihre letzten Momente als Schiedsrichterin in vollen Zügen. Nach dem letzten Pfiff in der fast leeren Allianz Arena stand die 41-Jährige noch minutenlang am Spielfeldrand und applaudierte bei der Siegerehrung anerkennend dem Supercup-Gewinner. Mit einer soliden Vorstellung beim Klassiker zwischen Bayern München und Borussia Dortmund (3:2) beendete die Pionierin des deutschen Schiedsrichterwesens ihre beeindruckende Karriere.
Als erste und bislang einzige Schiedsrichterin, die je ein Bundesliga-Spiel pfiff, sicherte sich Steinhaus vor drei Jahren einen Platz in den Geschichtsbüchern. Nun legt sie ihre Pfeife aber zur Seite – und wechselt als Video Assistant Referee (VAR) in den „Kölner Keller“.
So könne sie ihre „sportlichen Ambitionen unter anderen Vorzeichen weiterhin unter Beweis stellen“, sagte Steinhaus nach ihrem letzten Spiel. Nach ihrem Rücktritt habe sie ein Angebot von DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich erhalten und „diesem Vorschlag mit Freude zugestimmt“.
Zuvor hatte bereits Bayerns Trainer Hansi Flick verraten, dass Steinhaus als VAR weitermacht. „Sie bleibt uns ja erhalten, wird in Köln sein und hoffentlich auch da gute Entscheidungen treffen“, sagte Flick.
In Köln war Steinhaus in dieser Saison bereits dreimal als Video-Assistentin im Einsatz, sie wird ausschließlich für Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga aktiv sein. Die Gründe für den überraschenden Rücktritt – sechs Jahre, bevor sie die Altersgrenze erreichen würde – liegen unter anderem im Privaten.
Seit vier Jahren ist Steinhaus mit Englands früherem Top-Schiedsrichter Howard Webb zusammen, der in New York lebt. Ihn konnte sie in der Coronazeit lange nicht sehen. Außerdem konnte sie laut kicker für die aktuelle Spielzeit keine „obligatorische, bestandene läuferische Leistungsprüfung“ vorweisen.
Der Einsatz beim Supercup, der in dieser Hinsicht als Grauzone eingestuft worden war, soll ein Abschiedsgeschenk für die großen Verdienste im Fußballsport gewesen sein. Dort trug sie ebenfalls als erste Frau die Verantwortung und kam wie in ihren 23 Bundesliga-Spielen ohne Rote Karte aus. Ein Novum.
Genaueres zu ihrem Karriereende will Steinhaus zu gegebener Zeit erläutern. Eines ist sicher: Sie hinterlässt eine große Lücke. Im Deutschen Fußball-Bund (DFB) pfeifen insgesamt knapp 57.000 Schiedsrichter, davon nur 2194 Frauen.
In der 3. Liga sind in Riem Hussein (40) und Katrin Rafalski (38) derzeit zwei Schiedsrichterinnen im Einsatz, die Zeit für den möglichen Aufstieg in die Bundesliga drängt – das Alterslimit liegt bei 47 Jahren.
DFB-Präsident Fritz Keller hofft jedenfalls, „dass viele weitere Schiedsrichterinnen den Profi- genauso wie den Amateurfußball bereichern werden“. Steinhaus werde laut Keller als „außergewöhnliche Persönlichkeit und Pionierin in einer Männerdomäne“ weiter ein Vorbild bleiben.
Steinhaus war längst eine Weltklasse-Schiedsrichterin, bevor sie am 10. September 2017 beim Spiel Hertha BSC gegen Werder Bremen ihr Bundesliga-Debüt bei den Männern gab. Zehn Jahre lang hatte sie in der 2. Liga gepfiffen, sie jagte bei den Frauen auf globaler Bühne von einem Erfolg zum nächsten: viermal war sie Weltschiedsrichterin, dreimal bei Welt- und Europameisterschaften dabei, siebenmal die Beste Deutschlands. Dazu kamen einzigartige Momente wie die Leitung der Endspiele bei der Frauen-WM 2011 und beim Olympischen Frauen-Turnier ein Jahr später in London.
Am 30. September 2020 endete ihre höchst erfolgreiche Laufbahn auf dem Fußballplatz mit einem letzten Schlusspfiff. Die anschließende Siegerehrung erlebte Steinhaus dann schon als „Frührentnerin“.