Frankfurt, Main (SID) Kurioserweise im Konferenzraum „Gold“ eines Frankfurter Hotels versuchte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit Blick auf die Medaillenziele für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro einen schwierigen Spagat: Mehr Edelmetall anpeilen, aber trotzdem die Ziele zurückhaltender formulieren – um neue Diskussionen und ein ähnliches Kommunikationsdesaster wie bei Olympia 2012 in London zu verhindern.
„Wir streben an, dass die deutsche Olympiamannschaft nach London 2012 mit 44 Medaillen und 81 Finalplätzen den positiven Trend fortsetzt und die Zahl der Medaillen und Finalplätze weiter steigert. Das ist ein ehrgeiziges Ziel“, sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper und betonte: „Wir sind nicht größenwahnsinnig und gehen mit Augenmaß heran.“
Nachdem sich der Deutsche Olympische Sportbund bei den Sommerspielen im vergangenen Jahr mit seiner optimistischen Zielvereinbarung (28 Siege und insgesamt 86 Medaillen) mächtig vergaloppiert hatte, wurden nun bescheidenere Töne angeschlagen. Nach massiver Kritik an den Zielvereinbarungen und deren dann erfolgter Neuordnung wurde zum Beispiel kein konkreter Platz in der Nationenwertung formuliert. „Hinter den USA und China ist das Feld so dicht. Da macht es keinen Sinn“, sagte Vesper. In London war das deutsche Team auf Rang sechs gelandet.
Die Zielvereinbarungen nach den regelmäßig stattfindenden Meilensteingesprächen zwischen dem DOSB und den Verbänden liegen für die Spiele am Zuckerhut in einem „Medaillenkorridor“ bei 40 bis 70 Medaillen und 152 bis 182 Finalplatzierungen. „Unser Ziel ist es, die 44 Medaillen von London zu verbessern. Ich hoffe, dass das als Vorgabe gewertet wird und nicht der Korridor, der als Potenzial gesehen wird“, sagte Vesper.
Für London 2012 waren als Ziel ursprünglich 28 deutsche Siege und 86 Medaillen ausgegeben worden. Die neue Zielvereinbarung geht also de facto von einer geringeren Ausbeute aus. Sie unterteilt zudem nicht mehr in Gold, Silber oder Bronze. Tatsächlich erreicht wurden bei Olympia an der Themse 11 Olympiasiege und insgesamt 44 Medaillen.
Bei den Winterspielen in Sotschi im kommenden Jahr „soll in der inoffiziellen Nationenwertung ein Podestplatz erreicht werden“, sagte Vesper. In den Meilensteingesprächen haben sich die sieben Wintersportverbände mit dem DOSB auf einen Korridor von 27 bis 42 Medaillen verständigt. Dafür stehen ihnen in diesem Jahr 5,39 Millionen Euro Grundförderung und 2,75 Millionen Euro Projektförderung zur Verfügung. Die Gesamtfördersumme liegt damit 2013 bei rund 8,14 Millionen Euro.
Um die Vorstellungen für Rio 2016 zu realisieren, können die Verbände 2013 auf eine Grundförderung von insgesamt 28,31 Millionen Euro zurückgreifen. Die Höhe der Projektförderung liegt bei 7,99 Millionen Euro. Die Gesamtsumme für beide Förderstränge beträgt damit 36,3 Millionen Euro. Der DOSB kann damit im kommenden Jahr rund 1,3 Millionen Euro mehr verteilen als 2012.
Allerdings liegt die Höhe der zur Verfügung stehenden Projektmittel für den Sommersport um knapp 2,8 Millionen Euro unter der von den Verbänden als notwendig bezeichneten Gesamtsumme. Bei den Sportarten Tennis und Golf prüft das BMI derzeit, ob sie überhaupt gefördert werden dürfen.
Neu ist auf dem Weg nach Sotschi und Rio, dass die Spitzensportverbände bei der Verteilung der Projektmittel am vereinbarten Medaillenkorridor für Olympia 2016 bemessen und in fünf Gruppen eingeteilt wurden. Von A (Erfolgreiche Sportarten mit hohem Medaillenpotenzial) bis E (Sportarten ohne Finalplatzpotenzial). Je nach Gruppenzugehörigkeit werden diese unterschiedlich gefördert. Die A-Sportarten wie zum Beispiel Leichtathletik und Rudern erhalten 2013 die Projektmittel wie 2012 plus 80 Prozent des beantragten Mehrbedarfs. Den E-Sportarten wie Basketball (Frauen) oder Synchronschwimmen kommen dagegen keinerlei Projektmittel zu.
Sorge bereiten den Funktionären dabei die Spielsportarten wie unter anderem Handball (Männer/Frauen), Volleyball (Männer/Frauen), Hockey (Frauen), die in die Gruppe D gestuft wurden. „Das ist nicht schön. Die müssen wir aus der Ecke herausholen“, sagte Christa Thiel, die DOSB-Vizepräsidentin Leistungssport. Leistungssport-Direktor Bernhard Schwank kündigte an, dass der DOSB „in vermittelnder Rolle“ eingreifen könne, falls es Probleme zwischen Verband und Liga gebe. Diese Schwierigkeit gibt es derzeit besonders beim Handball. Die Mannschaft von Bundestrainer Martin Heuberger hatte jüngst die Qualifikation für die EM 2014 verpasst.
Über Zielvereinbarung und Förderung hatte es während und nach Olympia in London eine kontroverse Debatte gegeben. DOSB und Innenministerium hatten die Vorgaben erst nach einer Klage durch zwei Journalisten öffentlich gemacht.