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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Köln (SID) Vor über 50 Jahren, am 31. Oktober 1970, hob der DFB sein 15 Jahre bestehendes Frauenfußball-Verbot auf. Das unrühmliche Kapitel wirkt bis heute nach.

Was den konservativen Fußball-Bossen vor einem halben Jahrhundert nicht gelang, hat das Coronavirus vollbracht. Die unaufhaltsamen Pionierinnen mussten klein beigeben – der Festakt in Travemünde zu 50 Jahren Frauenfußball im Deutschen Fußball-Bund (DFB) fiel der Pandemie zum Opfer.

Der Ferienort an der Ostsee wäre symbolisch wie geschichtsträchtig gewesen. Hier beschloss am 31. Oktober 1970 der DFB-Bundestag, sein Verbot des „Damenfußballs“ von 1955 zu kippen. Einen knackigen DFB-Slogan gibt es dennoch zum Jubiläum: „Früher nicht erlaubt. Heute verboten gut.“

In der Nachkriegszeit ist es genau dieser DFB, der seinen Mitgliedern untersagt, Frauenteams zu gründen oder auch nur auf Vereinsanlagen spielen zu lassen. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“, so die Begründung.

Weil Frauen aber nunmal trotzdem Fußball spielen, erfolgt 15 Jahre später die Kehrtwende. Allerdings unter Auflagen. Stollenschuhe waren nicht erlaubt, die Bälle leichter, die Spielzeit wurde auf zweimal 30 Minuten beschränkt, eine längere Winterpause verordnet. Das Verbot zu kippen – mitnichten eine Überzeugungstat.

Es galt zu verhindern, dass die Fußballerinnen einen eigenen Verband gründen. Denn durchaus fanden schon inoffizielle Länderspiele statt. Überall im Land machten sich Vereinsmanager auf die Suche nach weiblichen Talenten. Der Widerstand wurde zusehends aufmüpfiger.

So spielen etwa am 1. Januar 1968 in Hamburg die Gymnastiksportlerinnen des TSC Viktoria als „Eintracht Kopftuch“ gegen die Handballerinnen des ESV Einigkeit als „FC United Strumpfhose“. Später gesellen sich im Stadtteil Wilhelmsburg der „SV Minirock“ und „Borussia Bluse“ dazu.

Der Tatendrang der männlichen Fußball-Entscheidungsträger blieb viele Jahre überschaubar. 1974 wird erstmals ein deutscher Meister der Frauen gekürt (TuS Wörrstadt). Das erste offizielle Länderspiel mit Anne Trabant-Haarbach, Silvia Neid und Co. steigt sogar erst Ende 1982.

38 Jahre später sind zahlreiche Hürden genommen und Titel gewonnen, doch die Nachwehen sind noch heute zu spüren. „Es wurde lächerlich gemacht, die ersten 15 bis 20 Jahre“, sagte Nationaltorhüterin Almuth Schult im NDR-Interview: „Da haben wir bereits viel Wirkungskraft und Unterstützung verloren. Das versuchen wir immer noch aufzuarbeiten.“

Hört man sich unter Schults Teamkolleginnen um, wird der größte Wunsch unisono formuliert: Noch immer fehlt trotz zwei WM- und acht EM-Titeln sowie dem Olympiasieg 2016 anhaltende Aufmerksamkeit, die während der Großevents ganz selbstverständlich vorhanden ist.

Andere Länder zeigen den Weg auf. „Ich würde mir wünschen, dass wir durch noch mehr überzeugte Sponsoren eine neue Dynamik schaffen, ähnlich wie in England“, sagte auch die langjährige Bundestrainerin Silvia Neid dem SID.

Alle großen englischen Männerklubs engagieren sich im Frauenfußball, der Verband FA verfolgt ein klares Konzept, die Heim-EM 2022 entfacht zusätzlichen Antrieb für Sponsoren. Und jüngst lockte die Women’s Super League sogar US-Superstars wie Alex Morgan (Tottenham Hotspur) an. Auch in Spanien wie Italien nehmen die Ligen Fahrt auf.

Der einst führenden Frauen-Bundesliga droht also auch ein Exodus der Topspielerinnen. Gerade zog es Torschützenkönigin Pernille Harder (VfL Wolfsburg) wie Melanie Leupolz zum FC Chelsea. Die Ex-Münchnerin schwärmt laut und deutlich von den professionellen Bedingungen in London und der besseren Vermarktung.

Dass sich der DFB zusammen mit den Niederlanden und Belgien um die Frauen-WM 2027 bewirbt, ist als Signal zu verstehen – ebenso die Fusion von Eintracht Frankfurt mit dem 1. FFC Frankfurt. Und was wird aus dem Zusammentreffen zum Jubiläum? „Das holen wir hoffentlich nach“, sagte Neid. Pionierinnen lassen sich eben nicht aufhalten.