„Sport ist WERT(E)voll!“ – So lautet der Titel der neusten Publikation des Badischen Sportbundes. Wie wert(e)voll der Vereinssport für die Gesellschaft ist, das kann man erahnen. Doch welchen monetären Wert hat der Sport? Lässt sich das an konkreten Zahlen festmachen? Genau diesen Gedanken greift die neue Publikation auf und beziffert anhand von belastbarem Zahlenmaterial den Wert des nordbadischen Sports.
Die Broschüre „Die Sozialrendite der Sports – Zahlen, Daten und Fakten“ finden Sie als E-Paper oder als PDF-Download.
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Sport in BW hat mit dem BSB-Präsidenten Martin Lenz sowie Dr. Florian Dürr, stellvertretender BSB-Geschäftsführer und Autor der Publikation gesprochen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Wert des Vereinssports zu berechnen?
Martin Lenz: Angefangen hat alles während der Pandemie. Wir – und damit meine ich alle Verantwortlichen im organisierten Sport – mussten feststellen, dass der Vereinssport noch nicht den gesellschaftlichen Stellenwert hat, von dem wir ausgegangen waren. Der Vereinssport ist – außer als Individual- und Profisport – in der Pandemie kaum und viel zu spät überhaupt thematisiert worden, trotz seiner immensen Bedeutung für die Sozialisation und Gesundheit v.a. für Kinder und Jugendliche. Daraufhin haben BSB –Präsidium und Sportkreise nach Wegen gesucht, um die Akzeptanz des organisierten Sports wieder zu steigern.
Wie wollten Sie das erreichen?
Martin Lenz: Es wird immer wieder betont, dass unsere Vereine wichtige gesellschaftliche Funktionen übernehmen. Doch wir müssen noch stärker die tatsächlichen Dimensionen bewusst machen, auch jenen, die vielleicht nicht so sportaffin sind, damit zukünftig der Sport auch in Krisensituationen „top of mind“ ist. Deswegen haben wir auch die Sozialrendite in den Vordergrund gestellt, weil dadurch starke Argumente auf dem Tisch liegen, die auch in Haushaltsdiskussionen gegenüber dem notwendigerweise nüchtern kalkulierenden Finanzpolitiker hilfreich sind: Sport ist ein Wirtschaftsfaktor, Vereine sind Teil des Wirtschaftskreislaufs und generieren damit auch einen ganz enormen wirtschaftlichen Wert.
Das Ziel dieser Publikation ist es deshalb, diese Tatsache den politischen Entscheidern aufzuzeigen, um damit die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Sportvereinsförderung auf allen Ebenen und in ihren unterschiedlichen Facetten darzulegen.
Es gibt ja bereits Untersuchungen zu diesem Thema. Was ist an Ihrer Publikation anders?
Florian Dürr: Mit dem Sportentwicklungsbericht haben wir belastbares Zahlenmaterial zu den Leistungen des organisierten Sports auf Landes- und Bundesebene. Unsere Idee war nun, die bestehenden Untersuchungsergebnisse zu nehmen, diese über eine Sonderauswertung auch auf regionaler Ebene, also unseren Sportkreisen, auszuwerten und die Daten in Beziehung zu setzen zu den Fördermitteln des Landes Baden-Württemberg. Das Ganze gespickt mit ein paar Kennzahlen, die wir im Sportbund vorhalten. Hinzu kommen zahlreiche Vereinsbeispiele aus unserem Verbandsgebiet, die die bloßen Zahlen konkret untermauern. Herausgekommen ist unsere Publikation „Zahlen, Daten und Fakten zur Sozialrendite des Vereinssports“, die wir allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung stellen, und die sich bereits jetzt erstaunlicher Resonanz erfreut. An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an die Sporthochschule Köln, namentlich Frau Feiler und Herrn Prof. Breuer für die kooperative Zusammenarbeit.
Was genau verstehen Sie unter Sozialrendite?
Florian Dürr: Unter Sozialrendite verstehen wir recht pragmatisch die Bezifferung des (in sehr hohem Maß generierten) monetären Mehrwerts von eingebrachten Landesfördermitteln durch unsere Mitgliedsvereine.
Können Sie uns hierzu ein Beispiel nennen?
Florian Dürr: Nehmen wir das Thema Ehrenamt: Um den Sport für knapp 790.000 Menschen in Nordbaden zu organisieren und umzusetzen, bringen sich rund 50.000 Ehrenamtliche in Form eines dauerhaften und regelmäßigen Engagements ein. Sie leisten dabei über 700.000 Arbeitsstunden pro Monat bzw. 8,5 Mio. Stunden pro Jahr, was einer Wertschöpfung von ca. 130 Millionen Euro entspricht.
Diese Zahlen zeigen, welchen enormen Wert unsere Vereine für die Gesellschaft schaffen.
In welchem Bereich investieren Vereine am meisten?
Florian Dürr: Der größte Investitionsbedarf besteht im Sportstättenbau. Knapp über 50% der Sportvereine in Baden-Württemberg sind im Besitz eigener Sportanlagen (inkl. Vereinsheim). Dieser Anteil liegt recht deutlich über dem Bundesdurchschnitt, sie investieren über € 220 Millionen jährlich in vom Land geförderte Sportstätten und tragen so erheblich zum Wirtschaftskreislauf bei (Referenzjahr 2019)!
Und wie sieht es jetzt bzgl. der „Rendite“ aus?
Florian Dürr: Im Durchschnitt kann man sagen, dass einem Euro Breitensportförderung des Landes Baden-Württemberg eine Engagementleistung der Ehrenamtlichen in unseren Sportvereinen im Wert von mindestens zehn Euro gegenübersteht. Und im Sportstättenbau wird jeder eingesetzte Euro an Landesmitteln durch unsere Sportvereine, aber natürlich auch durch kommunale Zuschüsse 7- bis 8-fach vermehrt.
Inwiefern werden Sportvereine von Land und Kommune bereits unterstützt?
Martin Lenz: Über den Solidarpakt Sport des Landes Baden-Württemberg können wir unsere Vereine für verschiedene Maßnahmen Zuschüsse auszahlen. Das geht vom Sportstättenbau über Kooperationen mit Kindergärten und Schulen bis hin zum Einsatz von lizenzierten Übungsleiter*innen. Und darüber hinaus spielt die kommunale Sportförderung eine entscheidende Rolle. Aber wie das Wort schon sagt: die Förderung ist kommunal, also immer je nach Stadt bzw. Kommune unterschiedlich. Somit sind auch Sportvereine in Städten und Kommunen mit einer schlechteren Sportförderung finanziell benachteiligt. Unsere Aufgabe ist es deshalb, für das Sportsystem nachhaltige Finanzierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen, die die Vereine finanziell und strukturell unterstützen. Denn Sport schafft Zukunft vor Ort!
Wie wollen und können Sie als Dachverband diese Zahlen in die Politik einspeisen?
Martin Lenz: Wir sehen uns in erster Linie als Impulsgeber und Interessensvertreter für den organsierten Sport! Das heißt, wir werden das Thema auf Landesebene immer wieder in die Gremien einspeisen. Gleichzeitig wird die Publikation vor allem unseren Sportkreisen als Hilfsmittel mit konkreten Zahlen dienen, denn sie sind das Bindeglied zur Kommunalpolitik. Mein Wunsch wäre, dass die „Zahlen, Daten und Fakten zur Sozialrendite“ für Städte und Gemeinden zu einem Standardwerk werden, wenn es um die Haushaltsplanung zum Thema Sportförderung geht, stets unter dem Motto: „Nicht am Sport, sondern mit dem Sport sparen!“.
Das ist ein großes Ziel! Sollte man da nicht eher bundesweit(er) denken?
Martin Lenz: Kommunen sind der größte Förderer des Sports, daher muss man auf allen Ebenen ansetzen. Aber hier gibt es eine deutliche Rollenklarheit: wir setzen in engem Schulterschluss mit unseren Sportkreisen dort an, wo wir ein Mandat haben. Das heißt: wir in der Landespolitik, unsere Sportkreise in der Kommunalpolitik. Es wäre wünschenswert, wenn diese Art von Intervention Früchte trägt und auf allen Ebenen erfolgt – aber klar ist: wir brauchen einen langen Atem und kontinuierliche Präsenz. Und natürlich sind die jeweiligen Ebenen bis hin zum DOSB mit mehreren Kampagnen bereits tätig.
Denken Sie, den Sportvereinen hat es in den vergangenen Jahren an Präsenz in der Gesellschaft gemangelt?
Martin Lenz: Ich denke in den vergangenen Jahren hat der organisierte Sport immer wieder gezeigt, dass er in Krisensituationen ein verlässlicher Partner in der Gesellschaft ist. 2015 waren es die Sportvereine, die in der damaligen Situation für eine groß angelegte Integration von Geflüchteten durch Sport verantwortlich waren. Nun, in der Corona-Krise, waren es die Sportvereine, die Einkaufsdienste übernommen oder Impfaktionen durchgeführt haben. Unsere Vereine haben in den vergangenen Jahren gezeigt: sie sind Integrationskraft, krisenfest und nachhaltig. Der Sport hätte deshalb seitens der Politik als „Teil der Lösung, nicht Teil des Problems“ gesehen werden müssen. Konkret meint dies eine intensivere Beteiligung des Sports bei der Ausgestaltung der ihn betreffenden Regelungen unter viel stärkerer Berücksichtigung der positiven Gesundheitswirkungen – körperlich, psychisch, sozial.
Was wünschen Sie sich abschließend für die Zukunft?
Martin Lenz: Aktuell müssen wir erreichen, dass breitensportlich ausgerichteter Vereinssport in seinen unterschiedlichen Facetten in jedem Fall möglich bleibt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Für unsere Vereine geht es jetzt darum, sich für die Zukunft gut und vor allem nachhaltig aufzustellen und das geht nur mit klarer Perspektive. Unser Ehrenamt hat mittlerweile einen sehr hohen Professionalisierungsgrad erreicht. Es ist verantwortlich, verlässlich und solidarisch. Gleichzeitig ist es schützenswert, weil vor allem das ehrenamtliche Engagement eine nicht unbegrenzt verfügbare Ressource ist, mit der sorgsam umgegangen werden muss. Es ist die Aufgabe der Politik – und damit meine ich Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, die Weichen so zu stellen, dass Vereine die bestmögliche Förderung und Unterstützung bekommen.
Mit unserer Publikation verfolgen wir nun – gemeinsam mit unseren Sportkreisen – genau dieses Ziel, um dafür zu sorgen, dass die nordbadischen Vereine zukunftsfähig bleiben!
Das Gespräch führte Eva Häberle
Dr. Florian Dürr: 0721/18 08-24 – f.duerr@badischer-sportbund.de
Eva Häberle: 0721/18 08-31 – e.haeberle@badischer-sportbund.de
Quelle: www.badischer-sportbund.de