Köln (SID) Max Eberls Rücktritt ist eine Reaktion auf die Auswüchse des Profifußballs – hat sich denn gar nichts geändert? Immerhin: Die Branche zeigt viel Verständnis.
Wer im rauen Profifußball einer sein will, der benötigt sie dringend, Oliver Kahn hat das einst klargestellt. „Eier, wir brauchen Eier“, rief der frühere Welttorhüter nach einer Niederlage ins TV-Mikro, es wurde zum geflügelten Wort. Fast 20 Jahre später erinnert nun allerdings nicht erst der Fall Max Eberl daran: Mut braucht auch, wer keiner mehr sein will in dieser Branche.
Eberl nämlich sei ein „Typ mit richtig großen Eiern“, twitterte Ex-Weltmeister Toni Kroos, als Eberls denkwürdige Pressekonferenz am Freitag gerade beendet war – Kroos war damit einer von sehr vielen prominenten Vertretern des Sports, die ihren Respekt bekundeten.
Seinen Rücktritt als Manager bei Borussia Mönchengladbach hatte Eberl mit deutlicher Systemkritik verbunden, er könne aus einem „simplen Grund“ nicht mehr arbeiten: „Weil ich erschöpft und müde bin. Ich möchte einfach raus, ich möchte mit dem Fußball nichts zu tun haben.“
Andreas Rettig, ehemaliger Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), sieht ein gesamtgesellschaftliches Problem. „In meinen Augen sind die Arbeitgeber verpflichtet, ihre Arbeitnehmer auch einmal in den Zwangsurlaub zu schicken. Es muss ein Umdenken erfolgen, dass Urlaube oder Auszeiten nicht als Schwäche gesehen werden. Gerne heißt es ja dann: Der brennt nicht mehr, ist faul. Dabei ist gerade das verantwortungsbewusst“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung des Drittligisten Viktoria Köln dem Sonntags-Express.
Rettig sieht allerdings einen Bewusstseinswechsel. „Zum einen findet im Manager-Bereich ein Verjüngungsprozess statt“, äußerte er, „je älter man wird, desto weniger ist man bereit, diesen Druck aushalten zu wollen.“
Außerdem seien die Zeiten „der One-Man-Show“ vorbei. „Die Verantwortung wird in vielen Vereinen auf mehrere Entscheider verteilt. Bei den Spielern gibt es die sogenannte Belastungssteuerung, in dem Bereich müssen wir auch bei Verantwortlichen umdenken“, sagte der Viktoria-Geschäftsführer.
Das Hamsterrad Profifußball fordert auf jeden Fall seine Opfer. Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann sieht trotzdem Chancen, dass Eberl zurückkehrt. „Ich glaube, dass er den Tank wieder vollmacht und dann wieder zurückkommen wird“, sagte er im Sport1-Doppelpass.
Die Reaktionen aus dem Profilager zeigen, dass sich doch etwas tut in der Wahrnehmung und in der Bewertung vermeintlicher Schwäche. Neben Kroos drückten unzählige weitere Spieler ihren Respekt aus, zahlreiche Bundesliga-Klubs stimmten ein, Alt-Internationale wie Lothar Matthäus und Dietmar Hamann ebenfalls.
Und Stefan Effenberg, grundsätzlich ja eher einer vom traditionellen Schlag, widmete dem Thema sogar eine Kolumne. „Vorsicht, Leute!“, schrieb er bei t-online: „Passt auf Eure Gesundheit auf.“ Eberl sei „ein Vorbild, weil er offen darüber spricht, wie ihn die Belastung und der Fußball krank gemacht haben. Das ist ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche.“
Borussia-Präsident Rolf Königs schrieb Effenberg nach dessen ungeschickten und empathielosen Aussagen in Richtung Eberl („Wir haben alles dafür getan, um ihn zu halten, um ihn umzudrehen“) im Sport1-Doppelpass ins Stammbuch: „Eigentlich hat so ein Mann in so einer Führungsposition nichts verloren, wenn er so mit Menschen umgeht.“
Immer noch sei es so, dass in der Branche noch immer viel zu wenig gesprochen werde. Früher, so Effenberg, habe man sich „kaputt gelacht, wenn jemand über Erschöpfung, fehlende Kraft und Leere gesprochen hat“.
Gelacht wurde bei der Pressekonferenz am Freitag nicht. Eberl habe gezeigt, „wie mutig, stark, weitsichtig und intelligent er ist“, schrieb Borussia-Profi Christoph Kramer bei Instagram.