An einem sonnigen Sonntagmorgen im Januar war Roland G. auf dem Weg zum Boßel-Wettkampf. Roland ist leidenschaftlicher Boßler und seit seiner frühen Jugend bereits im Verein engagiert.
Schnell noch Geld holen bei der Bank am Automaten und … so ein Mist: beim Wegfahren übersieht er den Poller rechts neben seinem Auto und fährt leicht dagegen. Er hörte ein hässliches, knirschendes Geräusch. Das dürfte den schönen Metallic-Lack seines fast noch neuen Wagens sichtbar beschädigt haben. Um keine Zeit zu verlieren, sah sich Roland den Schaden erst an, als er am Ziel angekommen war.
Am Abend auf der Rückfahrt dachte er darüber nach, wie er die Instandsetzung des Autos am besten bewerkstelligen könnte. Ihm war klar, dass es eine aufwändige Angelegenheit werden würde, weil die Beschädigung genau am Übergang zur Tür lag.
In der darauffolgenden Woche erhielt das Büro der Sportversicherung eine Schadensmeldung des Klootschießer- und Boßelvereins. In dieser war beschrieben, dass beim Boßeln eine Kugel nach dem Abwurf sehr unglücklich versprungen sei und die Tür eines ordnungsgemäß am Straßenrand abgestellten Fahrzeugs eines Vereinskameraden nicht unerheblich beschädigt hatte. Roland nahm den Boßelverein wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs durch eine Boßelkugel auf Schadenersatz in Anspruch.
Der Sachbearbeiter der Versicherungsgesellschaft ließ sich von dem geschädigten Autobesitzer den Unfallhergang schildern und bat um Fotos der örtlichen Gegebenheiten, des Fahrzeugs und der Beschädigung im Detail. Bei Durchsicht der digitalen Bilder fiel ihm auf, dass die Beschreibung des Schadenhergangs nicht wirklich zu der auf den Bildern zu erkennenden Beschädigung passen wollte. Auf den Fotos war eine längliche, scharfe Einkerbung zu erkennen, die schräg ansteigend verlief. Die Kerbe war ca. 20 cm lang.
Um sich Klarheit zu verschaffen, beauftragte der Sachbearbeiter einen Sachverständigen mit der Besichtigung des Fahrzeugs. Diese ergab, dass das Schadensbild eindeutig nicht mit dem Abdruck einer an das stehende Fahrzeug prallenden Boßelkugel zu vereinbaren war. So stand es dann auch später im Gutachten: „Der Schaden ist weder plausibel noch kompatibel“.
Die Sportversicherung verweigerte daraufhin die Leistung aus dem Sportversicherungsvertrag.
Erst jetzt erhielt der erste Vorsitzende des Vereins Kenntnis von dieser Schadensmeldung, die ein anderes Vorstandsmitglied gemeinsam mit dem Geschädigten ausgefüllt und abgeschickt hatte. Er war sehr ungehalten über dieses unsportliche Verhalten; das sei schließlich Versicherungsbetrug, der die Vereine, die ehrenamtlich tätigen Mitglieder und den ganzen Boßelsport in schlechtem Licht da stehen lasse. Die Beteiligten sollten froh sein, wenn sich daraus keine strafrechtlichen Konsequenzen ergeben würden.
Auch wenn es verständlich ist, dass Vereinskameraden einander helfen möchten und dass ihnen in manchen Fällen der Vereinskamerad näher steht als der Versicherer, so bleibt zu bedenken, dass es letzten Endes die Versichertengemeinschaft aller Sportler ist, die darunter leiden muss, wenn die Vereinsbeiträge sich aufgrund steigender Risiken erhöhen.
Auch die Sportversicherung handelt fair: Wem bedingungsgemäß eine Leistung zusteht, dem soll sie nicht verweigert werden. Wer sie sich zu Unrecht „erschleicht“, soll – ebenso wie in allen anderen Lebensbereichen – nicht dafür belohnt werden.