sid

November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Sotschi (SID) Finger weg! So lautet die unmissverständliche Empfehlung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel im Sport. Auf die Gefahr einer Verunreinigung bei diesen Produkten werden die Athleten auf vielen Wegen informiert. Warum aber sind die Energieriegel, Brausetabletten und Kapseln im Leistungssport dennoch so verbreitet?

Die dreimalige Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch erklärte dem SID, dass die Sportler „immer viele Zusatzpräparate nehmen müssen, um den Haushalt im Gleichgewicht zu halten“. Deswegen gebe es „leider die Gefahr, dass man etwas Verunreinigtes erwischt“. Genau das sei offenbar Biathlon-Umsteigerin Evi Sachenbacher-Stehle bei Olympia in Sotschi passiert, so der alpine Ski-Star: „Das ist einfach riesengroßes Pech.“

Andere nennen es fahrlässig. „Wenn es wirklich diese Riegelgeschichte ist, ist es ganz bitter. So etwas darf einem Sportler nicht passieren“, sagte Doppel-Olympiasieger Felix Loch dem SID. Der Rodler, der bei der Schlussfeier die deutsche Mannschaft als Fahnenträger ins Stadion führte, verzichtet nach eigener Aussage völlig auf Nahrungsergänzungsmittel: „Ich nehme gar nichts. Wenn ich beim Radfahren bin, habe ich eine Banane dabei. Ich habe auch niemanden, von dem ich etwas beziehe.“

Das ist bei anderen Sportlern anders. Die frühere Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm verriet auf sportschau.de, dass man als Athlet immer versuche, „sich auf legalem Weg einen kleinen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen“, manch einer auch durch Hilfe „außerhalb der Mannschaft“.

Spätestens dann steigt das Risiko, dass die Zusätze mit Anabolika oder anderen Dopingsubstanzen verunreinigt sind. Weltweit sind aus dem vergangenen Jahr etwa 400 Doping-Fälle im Zusammenhang mit verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln bekannt, darunter der des ehemaligen 100-m-Weltrekordlers Asafa Powell aus Jamaika.

Die Wirkung solcher Produkte ist umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält sie bei gesunden Menschen bei einer normalen Ernährung für überflüssig. Doch viele Leistungssportler können oder wollen nicht darauf verzichten. Manche Produkte versprechen Fettabbau oder Muskelzuwachs in kurzer Zeit, die meisten Athleten setzen auf Ergänzungsmittel mit vielen Kalorien.

„Wenn man in Grenzbereiche der Leistung vorstoßen will, muss man etwas zuführen. Ich kann ja nicht am Tag 13 Schnitzel essen“, sagte Kugelstoßer David Storl am Rande der deutschen Hallenmeisterschaften der Leichtathleten in Leipzig. Sein Verbandspräsident Clemens Prokop forderte die Sportler dagegen auf, „generell die Finger davon zu lassen. Die Risiken sind völlig unkalkulierbar.“ Storl konterte: „Wenn er das so sagt, dann hat er noch nie Sport gemacht.“ Das Thema sorgte auch abseits von Sotschi für großen Wirbel.

Damit Sportler nicht unwissentlich in die Dopingfalle tappen, gibt es die so genannte „Kölner Liste“. Auf der sind mehrere hundert Produkte aufgezählt, die auf Dopingsubstanzen getestet wurden. Wer auf diese Nahrungsergänzungsmittel zurückgreift, reduziert das Dopingrisiko.

Nahrungsergänzungsmittel haben aber auch eine psychische Komponente. Der wissenschaftlich-medizinische Beirat des damaligen Deutschen Sportbundes (DSB) wies schon im Jahr 2005 darauf hin, „dass die regelmäßige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln den Glauben an die Machbarkeit von sportlichen Leistungen durch Präparate jedweder Art fördert und damit zu einer Zunahme der Dopingmentalität beitragen kann“.