Leipzig/Hamburg (SID) Bundesliga-Handballer Lucas Krzikalla von DHfK Leipzig hat sich nach seinem Coming-out begeistert von den Reaktionen der Öffentlichkeit gezeigt. „Mit so einem phänomenalen, positiven Feedback hatte ich nicht gerechnet, und das hat mich an einigen Stellen wirklich sprachlos gemacht“, sagte der 28-Jährige im Interview mit Sky.
Krzikalla hatte am 1. Oktober als erster aktiver männlicher Mannschaftssportler in Deutschlands vier Profiligen seine Homosexualität öffentlich gemacht und sieht sich nun „als Vorbild. Wir haben ja auch im Verein den Slogan ‚Gemeinsam Vorbild sein‘. Und das hat jetzt noch mal eine ganz andere Bedeutung gewonnen in einem ganz anderen Kontext.“
Die Entscheidung, an die Öffentlichkeit zu treten, sei ihm nicht leicht gefallen: „Das war auch für mich selbst immer eine innere Zerreißprobe. Ich habe mich da auch ein bisschen sehr verstellt und ein bisschen viel gelogen was manche Themen anging.“
Nun ist Krzikalla erleichtert, den Schritt gegangen zu sein: „Jetzt weiß wirklich jeder Bescheid, und ich muss mich nicht mehr verstellen, nicht mehr verstecken.“ Andere homosexuelle Sportler will er zum Outing ermutigen, „weil wir dann auch wirklich mehr Richtung Normalität und Alltag kommen“.
Dem jahrelangen Versteckspiel hatte der Leipziger Handballer am Wochenende ein Ende gesetzt. „Die Sexualität, wer wie leben will, muss einfach egal sein – in jedem Beruf. Und damit sich endlich etwas ändert, müssen wir Profisportler jetzt auch selbst etwas unternehmen“, sagte Krzikalla der Welt am Sonntag.
Mit seinem mutigen Entschluss, einem der „wichtigsten Schritte in meinem Leben“, möchte Krzikalla Vorbild sein. Ein Vorbild, das der langjährige Bundesligaspieler selbst nie hatte. Der frühere Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger etwa hatte sein Coming-Out erst nach der Karriere.
Und so äußerte Krzikalla in der MDR-Dokumentation „Aus der Deckung“ seine große Hoffnung: „Vielleicht wird es den ein oder anderen ermutigen, offener damit umzugehen und kein Versteckspiel mehr zu betreiben.“ Allein von fünf Handballspielern in der ersten und zweiten Liga wisse er, „die es vielleicht innerhalb der Mannschaft erzählen, aber Angst haben, mit einem Coming-Out ihrer Karriere zu schaden“. Aber die Veränderung müsse „auch von innen kommen, aus dem Sport selbst“.
Johannes Golla ist überzeugt, dass Krzikalla ein Vorreiter sein kann. „Ich glaube, es wird weitere geben, die diesen Schritt gehen werden, um befreiter leben zu können und sich nicht mehr verstellen zu müssen“, sagte der Nationalmannschaftskapitän dem SID zum „sehr, sehr mutigen und bemerkenswerten Schritt“ seines Bundesliga-Rivalen: „Er geht damit voran. Das wird ein Vorteil für viele weitere Sportler über den Handball hinaus sein.“
Im Volleyball hatte sich bereits im Vorjahr der queere Berliner Benjamin Patch geoutet. Im Fußball, Handball, Basketball und Eishockey – den vier größten Ligen in Deutschland – wagte bislang jedoch kein aktiver Profi den Schritt, den Krzikalla nun ging.
Im Handball kommt der womöglich wegweisende Entschluss gut an. Leipzigs Geschäftsführer Karsten Günther sieht in Krzikalla ein „absolutes Vorbild“. Und auch DHB-Präsident Andreas Michelmann freut die Nachricht „für den Menschen Lucas Krzikalla und sein gesamtes Umfeld. Sein Outing zeugt im besten Sinne des Wortes von einem gesunden Selbstbewusstsein“, sagte der Verbandschef dem SID.
Familie, Freunde und Mitspieler: Krzikallas Coming-Out begann im Kleinen. „Das war dann glaube ich schon eine Erlösung für ihn“, erzählt der Leipziger Teamkollege Alen Milosevic. Fortan grübelte Krzikalla über der Frage, ob und wann er an die Öffentlichkeit gehen sollte. Der 28-Jährige erinnert sich an Partys, auf denen er mit Mädchen nur quatschte, um den Schein zu wahren. Jetzt war die Zeit reif.
„Nach Jahren der Diskriminierung haben wir, wenn wir alle den Mut haben, jetzt die Chance, tatsächlich ein für alle Mal etwas zu ändern. Jedes Coming-Out ist eine große Befreiung“, sagt Krzikalla, der in Leipzig auf fast 200 Bundesliga-Spiele und knapp 500 Tore kommt. Auch wenn Mitspieler Milosevic mit „vielen, vielen Kommentaren“, auch viel Negativem auf Social Media rechnet – Krzikalla ficht das nicht an. „Idioten, die dumme Sprüche machen, wird es immer geben“, sagt er. Das Versteckspiel hat für ihn endlich ein Ende.