Düsseldorf (SID) Die Wochenendrebellen: Die anrührende Reise eines Vaters mit seinem autistischen Sohn auf der Suche nach einem Lieblingsverein kommt ins Kino.
Dieser verfluchte Klecks Soße. An den Nudeln! Herrje, Deutsche Bahn. Die Regel war damals, es ist acht Jahre her, doch ganz klar: Bestandteile des Essens dürfen sich NICHT berühren. Niemals. „Da begann das Drama“, sagt Mirco von Juterczenka. Und sein Sohn Jason brüllt ihm im ICE-Bordbistro ins Gesicht: „Die Scheiße kannst du alleine fressen!“
Jason, heute 18, ist Autist. Er hat sich mit seinem Vater („Papsi“), auf eine wunderbare, verrückte und schmerzhafte Reise begeben: Auf die womöglich ewige Suche nach einem Lieblingsfußballverein.
Die Verfilmung dieser anrührend wahren Geschichte läuft sie dem 28. September in den Kinos, Florian David Fitz spielt den Vater, der Fortuna Düsseldorf liebt, Aylin Tezel die Mutter. Cecilio Andresen, Jahrgang 2011, den Jason, der den Namen einst erfunden hat: „Wochenendrebellen“. Der echte „Papsi“ sagt im SID-Interview: „Die Nudel-Szene mussten sie noch entschärfen. Sonst wäre der Film FSK 16 gewesen.“
Mit der Diagnose Autismus sind die Eltern damals „alleine gelassen worden“, wie Mirco von Juterczenka erzählt. Als es in der Schule immer mehr Schwierigkeiten gab, schloss er mit seinem Sohn einen Pakt: Jason würde sich nicht mehr so arg provozieren lassen – und sein Vater findet mit ihm und für ihn einen Verein. Hätte er gewusst, wohin das führt, hätte er es getan? Vielleicht nicht. Oder gerade doch.
Denn, so sagt Jason: Bevor er sich entscheiden kann, fürs Leben, muss er doch alle Vereine gesehen haben! Zumindest die der ersten drei Ligen in Deutschland: 56.
Die Kriterien sind trennscharf. Doofes Maskottchen – raus. Plastikbecher ohne Mehrwegsystem – raus. Ohnehin, die Nachhaltigkeit: Jason ist Veganer. Alles mit dem Zug oder gar nicht! Falsche politische Positionierung der Fans – raus. Dafür darf es skurril sein, zum Beispiel die handbediente Anzeigetafel bei Union Berlin. Die Essensregel ist zu des Vaters Erleichterung aufgeweicht worden.
Die Reise jedenfalls findet kein Ende, vielleicht ist sie dazu auch nicht bestimmt. „Mir macht es so viel Spaß wie am Anfang“, sagt Jason von Juterczenka, der parallel beeindruckend tief in die Welt der Wissenschaft und Klimaforschung eintaucht: „Ich würde mich damit abfinden, dass wir für immer weitersuchen. Es darf nie enden.“ Schlägt der Blitz doch ein, das ist „Papsis“ Anschlussversprechen, kommt eben die 34-Spiele-Saison. Zuletzt beim SV Ober-Olm in der Frauen-Regionalliga geriet der Vater doch ins Schwitzen: Hm, es muss ja nicht gerade heute passieren.
Der Film, sagen beide Vorbilder, trifft sie hervorragend. Jason wollte „eins zu eins“ abgebildet werden: „Besser ging es gar nicht.“ Das liegt auch am Einfühlungsvermögen des Regisseurs. Für eine Filmton-Sekunde, die den „Overload“ in Jasons Hirn wiedergibt, gab es vorab ein 90-minütiges Gespräch.
Es sollte keine Heldenreise werden, sagt der Vater. „Der Papa, der mit dem Sohnemann immer toll unterwegs ist und die Frau so toll unterstützt. Nein. Der Film zeigt auch die Schattenseiten.“ Nämlich, dass zu Hause Frau und Tochter manchmal ziemlich alleine sind.
Vor allem aber, dass Autismus kein Teil der Persönlichkeit ist, der am Wochenende eingekapselt werden kann. Jason geht in Schmerzbereiche. Geräusche, Berührungen, das erträgt er, „weil die Alternative wäre, es gar nicht zu machen. Und das ist keine Option.“
Also geht’s weiter. Demnächst wahrscheinlich in der Slowakei, da fährt ein Zug durchs Stadion. Oder bei den Forest Green Rovers in England, dem vielleicht grünsten Verein der Welt. Super. Aber: Das Maskottchen ist „Neville, The Green Devil“. Es könnte eng werden.
Info: „Wochenendrebellen“, Regie: Marc Rothemund, 109 Minuten. Kinostar: 28. September. – https://wochenendrebell.de