Köln (SID) Die Rugby–WM zog auch in Deutschland viele Fans in ihren Bann. Doch kann sich der Sport hierzulande auch durchsetzen?
Mehrere Millionen Menschen vor den Bildschirmen, Tausende deutsche Fans auf den Tribünen – und Hunderte Interessierte auf dem Rugby-Feld: Die WM in Frankreich hat auch hierzulande für einen kleinen Hype gesorgt. Doch um die wohl intensivste Teamsportart der Welt nachhaltig in Deutschland zu etablieren, müssen noch große Hürden überwunden werden.
Das Potenzial zumindest scheint groß. Allein das dramatische WM-Finale zwischen Südafrika und Neuseeland (12:11) verfolgten in der Spitze fast 780.000 Zuschauer vor dem Fernseher. Der übertragende Sender ProSieben Maxx sprach dem SID gegenüber von weit übertroffenen Erwartungen.
Auf den Tribünen schafften es die deutschen Fans zahlenmäßig unter die Top 10 der Stadionbesucher. Und auch die meisten Vereine aus der Bundesliga teilten auf SID-Anfrage mit, dass sie während der Weltmeisterschaft einen erhöhten Zulauf in allen Altersklassen sowie Wünsche für Probetrainings festgestellt haben.
Der deutsche Verband will diese Euphorie nutzen. „Wenn man jetzt dranbleibt und alle mitziehen, dann wäre es in acht Jahren möglich, als semi-professionelle Mannschaft teilzunehmen“, sagte Harald Hees, Präsident von Rugby Deutschland, im SID-Interview. Die WM 2031 in den USA sei ein „realistisches Ziel, das man als durchaus machbar bezeichnen kann„.
Der Weg auf die große Bühne aber ist steinig – und finanziell sind die Möglichkeiten begrenzt. Der deutsche Verband sah sich Anfang des Jahres sogar gezwungen, aus wirtschaftlichen Gründen die Frauen-Auswahl sowie mehrere Jugendnationalmannschaften vom europäischen Spielbetrieb abzumelden. „Es war ein sehr enttäuschender Rückschritt“, bilanzierte Hees.
Auch deshalb erhofft sich der 65-Jährige, seit Oktober 2019 im Amt, dass sich durch das derzeit hohe Interesse an der Sportart Sponsoren überzeugen lassen. „Da könnte sich was bewegen, wir sind dran“, sagte Hees. Ohne einen Geldgeber dürfte das deutsche Rugby kaum aus der Nische kommen, noch sind die Spieler alle Amateure. Auch im Jugendbereich herrscht Nachholbedarf.
Wie schnell es gehen kann, wurde vor fünf Jahren sichtbar. Die deutsche Nationalmannschaft, damals finanziell erheblich von Milliardär Hans-Peter Wild („Capri-Sun“) unterstützt, scheiterte auf dem Weg zur WM in Japan knapp an der letzten Hürde. Die erstmalige Qualifikation war nah, nachhaltig war aber auch das nicht. Wild stellte die Förderung nach einem Zerwürfnis mit RugbyDeutschland ein.
Auch im Verband selbst herrschte zuletzt oft Unruhe. „Unser Problem in den letzten Jahren war, dass es zu viele Brüche gab„, sagte Hees: „Jeder Wechsel in der Führung des Verbandes war ein Bruch. Das ist eines der Hauptprobleme, was die Geschichte von Rugby Deutschland angeht. Die meisten meiner Vorgänger haben abgebrochen.“
Hees selbst will nun „kleinere Schritte gehen„, große seien im deutschen Rugby ohnehin nicht möglich. Mit Freude wurde im Verband derweil aufgenommen, dass die künftigen WM-Turniere von 20 auf 24 Teams erweitert werden. Sollte Europa einen weiteren Startplatz erhalten, würde auch Deutschland davon profitieren.
Und wenn die erstmalige WM-Teilnahme gelingt, kann aus dem kleinen vielleicht sogar ein großer Hype werden.