Bischofshofen (SID) Wieder Zweiter: Andreas Wellinger geht erhobenen Hauptes, aber die Tournee wird mehr und mehr zum deutschen Trauma.
Wellinger warf im Schneetreiben noch einen letzten Blick auf den goldenen Adler, dann trat er mit leeren Händen die Heimreise an. „Irgendwann werden wir den Hobel knacken, damit der Adler wieder bei uns ist“, sagte der Skisprung-Olympiasieger und ließ vor der Fahrt in seine Wahlheimat Salzburg zumindest eine kleine Kampfansage an Ryoyu Kobayashi da: „Wie viele Jahre wir warten müssen, weiß ich nicht. Hoffentlich nur eins.“
Es waren Trotz und Enttäuschung, die aus dem geschlagenen Wellinger sprachen, aber auch Stolz. Zehn Tage lang hatte er dem Japaner Paroli geboten, als erster Deutscher seit 22 Jahren durfte er bis zur letzten Station vom Gesamtsieg träumen. Erst in Bischofshofen platzten diese Träume jäh: Rang fünf bedeutete zwar ein starkes Ergebnis, doch Kobayashi verteidigte als Zweiter hinter Tagessieger Stefan Kraft seine Führung problemlos.
Leicht fiel es Wellinger nicht, die Niederlage zu akzeptieren. Schließlich hatte er noch zur Halbzeit der Tournee geführt, der so ersehnte erste Sieg seit Sven Hannawalds Grand Slam 2001/02 war zum Greifen nahe. „Von mir aus könnten wir noch vier Wettkämpfe dranhängen“, sagte der Bayer voller Ehrgeiz: „Dann hätte ich noch vier Chancen, die Punkte aufzuholen.“
Am Ende musste Wellinger Rang zwei aber akzeptieren. Es war der siebte Podestplatz eines DSV-Adlers in den vergangenen neun Jahren – nur zum Sieg reichte es wieder nicht, die Tournee wird mehr und mehr zum Trauma. „Wir nehmen es sportlich“, sagte DSV-Sportdirektor Horst Hüttel: „Wir haben in der Vergangenheit alles gewonnen – Olympia, Gesamtweltcup, Skiflug-WM. Da haben wir teilweise auch 20 Jahre drauf gewartet. Jetzt müssen wir halt noch ein Jahr kämpfen.“
Auch Bundestrainer Stefan Horngacher hob in seiner Bilanz das Positive hervor. „Andi hat die Stadien begeistert und es bis zum Schluss spannend gemacht“, sagte der Österreicher. Insgesamt war der DSV-Coach aber weniger zufrieden. Denn Philipp Raimund (11.), Karl Geiger (14.), Pius Paschke (20.) und Stephan Leyhe (21.) hatten im so hoffnungsvoll gestarteten Team schon früh abreißen lassen.
Geiger und Paschke hatten vor der Tournee sogar Weltcupsiege gefeiert, doch wie schon so oft in der Vergangenheit ging es beim ersten Höhepunkt der Saison bergab. „Das hatte ich mir im Vorfeld deutlich anders vorgestellt“, sagte Geiger: „Meine Probleme sind immer größer geworden. Es ist bitter und hart, dass es sich wieder nicht ausgegangen ist.“
Und so geht das Zählen eben weiter. Im kommenden Winter wird das Warten auf den ersten Tourneesieger schon 23 Jahre dauern, keine andere der Topnationen hat je so eine Durststrecke erlebt. Noch aber läuft die aktuelle Saison, und die bietet noch genügend Highlights. „In drei Wochen haben wir schon wieder Skiflug-WM, wir haben noch Heim-Weltcups“, sagt Wellinger: „Und ich verspreche euch: Es kommt auch der Tag, an dem ich wieder ganz oben stehe.“