Sport und Verein

50+1 unter Druck: Bundeskartellamt äußert sich zur Zukunft der Vereinsmehrheit im Profifußball

Juli 2025

Die sogenannte 50+1-Regel gehört zu den Grundprinzipien des deutschen Profifußballs. Sie soll sicherstellen, dass Kapitalgesellschaften, die den Lizenzspielbetrieb führen, unter der Kontrolle des Muttervereins bleiben. Damit sollen Investoren sich zwar beteiligen, nicht aber allein bestimmen können.

Im Juni hat das Bundeskartellamt seine lang erwartete Einschätzung zur kartellrechtlichen Zulässigkeit der Regel veröffentlicht. Herausgekommen sind klare Forderungen an die DFL und die Klubs.

Hintergrund: Was regelt 50+1?

Die 50+1-Regel besagt, dass ein Verein die Mehrheit der Stimmrechte (mindestens 50% plus eine Stimme) an der ausgegliederten Kapitalgesellschaft halten muss. Ziel ist es, die sportliche Identität, demokratische Mitbestimmung und gesellschaftliche Verantwortung der Vereine gegenüber Fans und Mitgliedern zu bewahren. Investoren dürfen zwar Anteile halten und sich finanziell beteiligen, sollen aber nicht die Kontrolle übernehmen können.

Zulässig sind jedoch Ausnahmen – wie etwa bei den Werksklubs Bayer 04 Leverkusen und VfL Wolfsburg. Argument für diese Ausnahmen ist, dass bei den dortigen Vereinen der jeweilige Mutterkonzern schon vor Einführung der 50+1-Regel langfristig Verantwortung getragen hatte. Diese Ausnahmen stehen seit Jahren in der Kritik.

Quelle: AFP / Kirill Kudryavtsev

Bewertung des Bundeskartellamts vom 16. Juni 2025

Das Bundeskartellamt kommt in seiner Einschätzung zu einem differenzierten Ergebnis:

  1. Grundsatz der Zulässigkeit bestätigt
    Die 50+1-Regel ist kartellrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie verfolgt ein anerkanntes Gemeinwohlziel: Nämlich den Schutz der Vereinsprägung und die Wahrung der Mitbestimmung von Mitgliedern.

  2. Anpassungen erforderlich
    Das Kartellamt stellt jedoch fest, dass die gegenwärtige Praxis der DFL nicht in jeder Hinsicht mit dem Kartellrecht vereinbar ist.

    Das Amt verlangt:

    transparente, diskriminierungsfreie Mitgliedschaftsregelungen: Klubs wie RB Leipzig stehen in der Kritik, faktisch keine offene Vereinsstruktur zu haben.

    die konsequente Anwendung bei Abstimmungen: Interne Entscheidungen – etwa im DFL-Präsidium oder bei Medienrechten – müssen die Vereinsmehrheit real abbilden. Fälle wie Hannover 96 (Investoreneinfluss trotz 50+1) seien problematisch.

    das Ende von Ausnahmeregelungen: Die dauerhafte Privilegierung von Werksklubs wie Leverkusen und Wolfsburg soll nicht fortgeführt werden. Perspektivisch sei eine vollständige Gleichbehandlung erforderlich.

  3. Keine Untersagungsverfügung – aber klare Auflagen
    Das Verfahren wird zunächst nicht in ein formales Verbot überführt. Vielmehr setzt das Kartellamt auf freiwillige Nachbesserung durch die DFL. Diese wurde aufgefordert, konkrete Reformschritte einzuleiten.

Bedeutung für Vereinsrecht und Verbandspraxis
Die Stellungnahme hat auch aus vereinsrechtlicher Perspektive erhebliche Relevanz:

  1. Vereinsdemokratie im Mittelpunkt
    Das Kartellamt stellt ausdrücklich klar, dass die vereinsrechtliche Kontrolle nicht nur formal bestehen muss, sondern auch praktisch durchgesetzt werden muss.
  2. Öffnung der Mitgliedschaft
    Vereine müssen eine tatsächliche, zugängliche Mitgliedschaft gewährleisten – Satzungskonstruktionen mit faktischen Zugangshürden oder Scheinmitgliedschaften sind unzulässig.
  3. Einheitlichkeit statt Sonderbehandlung
    Die DFL wird verpflichtet, ihre Satzung und Lizenzierungsordnung so zu gestalten, dass alle Klubs gleich behandelt werden – unabhängig von ihrer historischen oder wirtschaftlichen Struktur.

Fazit

Die Entscheidung des Bundeskartellamts bringt Klarheit, aber auch Handlungsdruck. Die 50+1-Regel bleibt zwar grundsätzlich zulässig – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie konsequent, einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet wird. Die DFL muss nun reagieren: Entweder sie reformiert ihre Regelwerke freiwillig, oder sie riskiert eine formelle kartellrechtliche Untersagung in der Zukunft.

Für Vereine und Kapitalgesellschaften im Profifußball ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um ihre Satzung, Mitbestimmungsstrukturen und gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen rechtlich zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

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