Sport und Verein

Klimaschutz statt Kleingarten-Paragraphen? Warum die Vereinsautonomie dort endet, wo grundrechtlich geschützte Umweltziele beginnen

Juli 2025

Vereine genießen in Deutschland weitreichende Autonomie. Sie dürfen ihre Satzungen selbst gestalten, Ziele festlegen, das Zusammenleben regeln und über Aufnahme, Ausschluss oder Pflichten der Mitglieder entscheiden. Doch wie weit reicht diese Autonomie, wenn übergeordnete Interessen – etwa der Ausbau erneuerbarer Energien – betroffen sind?

Immer mehr Gerichte und Stimmen aus der Rechtswissenschaft betonen: Die Satzungshoheit eines Vereins endet dort, wo sie mit grundrechtlich geschützten Gemeinwohlzielen kollidiert – insbesondere mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutz.

Vereine als private Ordnungsmächte – mit Grenzen

Nach § 25 BGB ist ein Verein ein freiwilliger Zusammenschluss, der auf Grundlage einer Satzung eigene Regeln aufstellt. Diese Selbstverwaltung ist Kernbestandteil des Vereinsrechts – aber nicht grenzenlos:

Diese Wertungsgrenzen gelten umso mehr, wenn Vereinsregeln de facto hoheitliche Wirkung entfalten – etwa durch das umfassende Hausrecht oder Ausschlussandrohungen.

Klimaschutz als verfassungsrechtliches Ziel

Mit dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 24.3.2021, Az: 1 BvR 2656/18 u.a.) wurde klar: Der Staat hat die Pflicht, künftige Generationen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Diese Schutzpflicht betrifft nicht nur staatliches Handeln, sondern entfaltet auch mittelbare Wirkung auf die Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften – einschließlich des Vereinsrechts.

In der Praxis bedeutet das:

Ein Verein darf Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen, nicht ohne sachlichen Grund untersagen. Und: Satzungen, die pauschal jegliche bauliche Veränderungen oder technische Innovationen verbieten, können rechtlich unwirksam sein, wenn sie dem Ausbau erneuerbarer Energien entgegenstehen.

Quelle: pixabay / Eliseo Cabrera

Beispiel: Solaranlage im Kleingarten

Ein aktuelles Beispiel für diese Rechtsentwicklung liefert das Landgericht Dessau-Roßlau. Mit Urteil vom 30. April 2025 entschied das Gericht, dass ein Kleingartenverein seinen Mitgliedern nicht pauschal die Installation einer kleinen Photovoltaikanlage untersagen darf.

Zwar sah die Satzung des Vereins ein umfassendes Verbot baulicher Veränderungen vor – doch das Gericht stellte klar: Der grundrechtlich geschützte Ausbau erneuerbarer Energien und das legitime Interesse der Mitglieder an klimafreundlicher Eigenversorgung überwiegen. Die Satzung habe hier zurückzutreten.

Das Urteil zeigt exemplarisch, wie Satzungsautonomie auf verfassungsrechtliche Grenzen trifft, wenn Umweltinteressen betroffen sind – und wie Gerichte diese Konflikte zunehmend im Sinne des Klimaschutzes auflösen.

Bedeutung für die Vereinspraxis

Vereine sollten ihre Satzungen, Ordnungen und Entscheidungsstrukturen kritisch überprüfen. Folgende Punkte sind dabei zentral:

  1. Pauschale Verbote vermeiden
    Statt „Generalklauseln“ wie „bauliche Veränderungen sind untersagt“ braucht es differenzierte Regelungen mit Ausnahmetatbeständen – etwa für umwelttechnische Maßnahmen.
  2. Einzelfallprüfung statt Starrheit
    Satzungen sollten offen formuliert sein und Entscheidungen im Einzelfall ermöglichen – unter Abwägung aller Interessen.
  3. Bewusstsein für übergeordnete Ziele
    Vereine sind Teil der Gesellschaft – und sollten auch als solche handeln. Wer sich Nachhaltigkeit und Verantwortung auf die Fahnen schreibt, muss das in der Satzung und Praxis widerspiegeln.

ENGEL.LAW berät Vereine mit Weitblick

Die Kanzlei ENGEL.LAW unterstützt Vereine, Verbände und Genossenschaften bei der rechtssicheren und zukunftsfesten Gestaltung ihrer Satzungen. Ob Umweltprojekte, Investitionen in erneuerbare Energien oder der Umgang mit neuen gesetzlichen Anforderungen – wir begleiten Sie von der Formulierung bis zur Mitgliederversammlung.

Mit Expertise im Vereinsrecht, Umweltrecht, Satzungsgestaltung und strategischer Beratung. Mehr unter: www.engel.law.