München (SID) Es gefällt Jens Voigt überhaupt nicht, dass es nun zu Ende geht. Doch der 42-Jährige merkt, sein Körper lässt sich vom Kopf nicht mehr überlisten. Das bisher Undenkbare ist bald Wirklichkeit – ein Peloton ohne den ältesten Radprofi der World Tour. „Shut up legs habe ich schon zu lange und zu oft benutzt“, hatte Voigt dem SID vor dem Start der Bayern-Rundfahrt gesagt.
Mit diesem Ausspruch, der auch den Rahmen seiner Rennmaschine ziert, hatte er seinen Beinen regelrecht verboten, die Arbeit einzustellen. Doch diese Beine, das kann auch Voigt nicht mehr ignorieren, die wollen inzwischen nicht mehr so wie früher. „Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber wir sprechen hier ja nicht von Ping-Pong oder Bowling“, sagte er.
Und deshalb ist seine 17. Teilnahme an der Tour de France auch kein Selbstläufer wie in den vergangenen Jahren. Der Altmeister sieht seinen letzten Start bei der Frankreich-Rundfahrt (5. bis 27. Juli) als eher unwahrscheinlich. „Die Chancen stehen aus meiner Sicht bei 40 zu 60. Ich bin im Moment nicht so stark, um es verdient zu haben“, sagte der Profi des amerikanischen Teams Trek Factory Racing.
Voigt gehört nach eigener Aussage aber zu den 15 Fahrern, die in der Vorauswahl für den Kader der neunköpfigen Tour-Mannschaft stehen. „Mein Vorteil ist, dass ich bei der Tour nie enttäuscht habe. Aber ich breche nicht in Selbstmitleid aus, wenn es nicht klappt. Ich bremse einfach auf den Abfahrten zu viel“, sagte der zweimalige Tour-Etappensieger, der mit einem 17. Start mit den Rekordhaltern George Hincapie (USA) und Stuart O’Grady (Australien) gleichziehen würde. Die Entscheidung über das Team werde wohl Mitte Juni fallen.
Auf seiner Abschiedstournee am Ende einer langen Laufbahn empfindet Voigt auch etwas Wehmut. „Ich weiß, jedes Rennen in der Saison ist das letzte Mal als Rennfahrer. Das tut schon weh“, sagte er. Nichts in seinem Leben sei bisher konstanter als der Radsport gewesen, aber er müsse die Zeichen erkennen. „Kopf und Körper sagen: wir halten dieses Jahr noch zusammen, dann ist aber Pause.“ Ein Hintertürchen zum Weitermachen gebe es nicht mehr.
Voigt hat sich vielmehr schon mit seiner Zukunft auseinandergesetzt. Irgendwie freue er sich auch auf das „Ende des Leidens“, wisse aber ebenso, er werde ab dann nur noch „schwächer, langsamer und dicker“.
Voigt will nahe an seiner jetzigen Mannschaft bleiben, die Lizenz als Sportlicher Leiter erwerben, an einem englischen Buchprojekt arbeiten und einiges mehr. Ein wenig reinschnuppern, Optionen testen. Und während der Tour? Da heißt es dann nicht mehr „shut up legs“, sondern „Baggersee & Barbecue“ mit seiner Frau und den sechs Kindern.