Hamburg, 10. Juli (SID) Vom Reck in den Rennrollstuhl: Ronny Ziesmers Sportgerät hat sich verändert, sein Ehrgeiz nicht. Ganz im Gegenteil: Zehn Jahre nach seinem verhängnisvollen Trainingssturz quält sich der einstige deutsche Kunstturn-Meister zweimal täglich für einen Start bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.
Und das nimmt der mittlerweile 34-Jährige durchaus wörtlich: „Wenn man zu den Paralympics will, geht es einfach nicht anders. Der Rest der Welt schläft ja auch nicht.“ Tatsächlich macht der Cottbuser große Fortschritte, seit er vom Handbike auf den Rennrollstuhl umgestiegen ist. Im März ging Ziesmer in Dubai erstmals bei einem Weltcuprennen an den Start, aktuell laufen die Vorbereitungen auf die Europameisterschaften im August im walisischen Swansea.
Diese europäischen Titelkämpfe wären die ersten für Ziesmer seit zwölf Jahren, seinerzeit belegte er als Mitglied der deutschen Kunstturnriege den fünften Platz. Olympia in Athen 2004 war schon zum Greifen nah, als der Ringe-Spezialist am 12. Juli 2004 im Bundesleistungszentrum in Kienbaum schwer stürzte. Nach einem doppelten Tsukahara schlug er beim Sprung mit dem Kopf auf den Boden auf und brach sich dabei die Halswirbelsäule.
Eine Tragödie, die ihm aber nicht seinen Lebensmut rauben konnte. Mit bemerkenswerter Courage absolvierte Ziesmer ein Studium der Biotechnologie, bewältigte dreimal den Berlin-Marathon im Handbike und regte die Gründung einer Stiftung mit dem Namen „Deutsche Stiftung Querschnittlähmung – Allianz der Hoffnung“ an.
Bei seinen neuen sportlichen Aktivitäten konzentriert sich der ehemalige Sportsoldat auf die Strecken 100 und 400 m: „Ich war ein absoluter Newcomer, im Grunde musste ich bei Null anfangen.“ Mittlerweile schnuppert er in seiner Behindertenklasse T 51 schon an der Weltklasse. „Es wird nicht einfach für ihn, aber er ist jemand, der um alles kämpft“, sagt sein Trainer Ralf Paulo.
Diese Willensstärke hat Ziesmer aus seiner Zeit an Pauschenpferd, Ringen und Barren in den Rennrollstuhl hinübergerettet. „Natürlich profitiere ich noch von meiner Zeit als Leistungsturner. Wenn man das über zwei Jahrzehnte macht, ist vom Kopf her der Wille immer noch da“, sagt Ziesmer, „und wenn man einmal für den Sport gelebt hat, will man das eben immer wieder.“
Am schwierigsten war für ihn die Umstellung auf die Ausdauerleistung, speziell über 400 m, denn auf dieser Distanz sind die Sportler fast zwei Minuten unterwegs. Ziesmer: „Am Reck dauerte die Belastung maximal eine Minute. Wenn ich jetzt mit dem Rennrollstuhl im Training zehn Kilometer fahre, sind das je nach Geschwindigkeit 30 bis 60 Minuten.“