Im gemeinwohlorientierten Breitensport bemisst sich Erfolg von Vereinen nicht an vollen Pokalvitrinen oder Meisterschaften. Sportliche Triumphe sind eine schöne Begleiterscheinung der wichtigen „Siege“, die auf anderem Terrain errungen werden müssen. Zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit dem demografischen Wandel, schwierigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und leeren öffentlichen Kassen. Wie man hier erfolgreich sein kann, zeigen zwei Beispiele.
Erfolg im Sportverein lässt sich nicht auf Meisterschaften und Siege reduzieren
TuS Bösinghoven? Turnerschaft 1912 Mülheim-Ruhr? Wer kein Kenner der nordrhein-westfälischen Breitensportszene ist, muss wohl passen. Bei einer Umfrage nach den erfolgreichen Klubs unter den mehr als 19.000 Sportvereinen im Land fielen vermutlich andere Namen. Denn Erfolg – so ist das im Sport – wird an Zählbarem gemessen: Meisterschaften, Aufstiege, Wettkampfsiege.
Aber wird diese auf den Leistungsgedanken verengte Sicht den etwa 1,5 Millionen Menschen in NRW gerecht, die sich ehrenamtlich für ihren Verein ins Zeug legen? Den mehr als 365.000, die als Vorstand, Sportmanager oder Marketingbeauftragter viel Zeit und Herzblut investieren, um den Verein fit für die Zukunft zu machen? Wohl kaum.
Bereit für Neues
Erfolg in Breitensportvereinen ist anders zu bewerten. Der wichtigste Sieg – und Gradmesser für Erfolg – ist heute das Bestehen im Wettbewerb. „Der gemeinwohlorientierte Sport ist zum Wandel und zur Reform verpflichtet, um dauerhaft seine Existenz zu sichern, da er von vielen Seiten unter Druck gerät. Sei es durch den demografischen Wandel, den Offenen Ganztag oder durch kommerzielle Anbieter“, sagt Professor Jürgen Mittag, Vereinsexperte der Deutschen Sporthochschule Köln. Kurzum: Am besten fahren diejenigen, denen es gelingt, sich immer wieder neu zu erfinden.
„Wie dieser Wandel aussieht, ist nur individuell zu beantworten“, sagt Mittag. Passende Antworten fanden die eingangs genannten Klubs aus Bösinghoven und Mülheim-Ruhr. Zwei Erfolgsgeschichten.
Das Beispiel TuS Bösinghoven
„Deshalb setzen wir uns immer wieder neue Ziele, und arbeiten daran, diese zu erreichen“, sagt Patrick Krause, der sich beim TuS Bösinghoven um Marketing und Sponsoring kümmert.
Die Vereinshistorie spiegelt das. Der 1964 in Meerbusch als Fußballverein gegründete Klub hat sich über die Jahrzehnte zu einem Mehrspartenverein mit zehn Abteilungen entwickelt. Für LSB-Vereinsberater und Managementexperte Dirk Schröter ein Paradebeispiel dafür, wie sich Sportvereine entwickeln müssen. „Wenn ich einen Verein erfolgreich machen will, muss ich verschiedene Aspekte betrachten. Eine Umfeldanalyse ist wichtig, um zu schauen, ob es vor Ort überhaupt einen Markt für die Sportarten gibt, die ich anbieten will“, erklärt Schröter. Auch auf soziodemografische Fakten wie die immer größer werdende Generation 50 plus und die steigende Nachfrage nach Kursangeboten ohne Mitgliedschaft müssen sich Vereine einstellen, sagt Schröter.
Mutige Investition
Das ist beim TuS geschehen. Um die Jahrtausendwende wagte der Klub einen besonders großen Schritt, als er ein altes Schulgebäude von der Stadt übernahm – mit allen finanziellen Risiken. TuS-Präsident Johannes Peters erinnert sich: „Wir haben das gegen viele Widerstände im Verein durchgesetzt. Die Befürworter haben an das Entwicklungspotenzial geglaubt.“
Sie sollten recht behalten. Der Verein sanierte die Immobilie mit Eigenmitteln, richtete die Räume als moderne Sportstätte her und legte den Grundstein für ein rasantes Wachstum. „Heute finden dort 53 Trainingsangebote pro Woche statt“, sagt Roswitha Ogorsky, langjährige Abteilungsleiterin Gymnastik beim TuS.
Die Mitgliederzahl stieg allein in dieser Zeit von etwa 800 auf 1.400 an. Zahlreiche Nicht-Mitglieder erreicht der Verein über vielfältige Kursangebote – unter anderem Gesundheitssport für Ältere –, die für Externe allerdings etwas teurer sind als für Mitglieder. „Auch zu Abteilungstreffen sind externe Gäste willkommen, die das Vereinsleben kennen lernen möchten. Wer mitgestalten möchte, muss allerdings Mitglied werden“, sagt Roswitha Ogorsky.
Qualität und Vielfalt
Das Mehr an Einnahmen investiert der Verein in Qualität. Übungsleiter und Trainer sind durchweg bezahlte Fachkräfte. Kosten für interne Fortbildungen übernimmt der Klub. Und mit dem studierten Sportwissenschaftler Krause verfügt der TuS über einen jungen Mann, der nicht nur weiß, wie man Ziele setzt, sondern das Erreichte – wie einen ersten Platz bei der LSB-Aktion „Zukunftsfähiger Sportverein“ – auch sponsorengerecht aufbereiten kann.
Eigentlich könnten die Macher beim TuS die Hände zufrieden in den Schoß legen, doch der nächste große Schritt steht schon bevor: die Fusion mit dem Nachbarverein ASV Lank. „Wir schauen immer nur in die Zukunft. Wir werden künftig eine stärkere Stimme gegenüber Politik und Partner haben und auch für Sponsoren noch interessanter sein“, sagt Präsident Peters.
Das Beispiel der Turnerschaft 1923 Mülheim-Ruhr-Saarn
30 Kilometer nordöstlich – mitten im Ruhrpott – behauptet sich die Turnerschaft 1912 Mülheim-Ruhr-Saarn seit mehr als 100 Jahren. „Wir stehen heute in direktem Wettbewerb zu einem anderen Verein und zu einem nahen Fitnessclub. Dennoch haben wir Erfolg“, sagt Geschäftsführerin Susanne Ries.
Den definiert sie im Einklang mit dem langjährigen 1. Vorsitzenden Andreas Ebersbach vor allem über die konstante Mitgliederzahl. „Die halten wir seit vielen Jahren über 1.000“, sagt Ebersbach. „Ein Sportverein muss sich wiederholt klar machen, was er anbieten und welche Art von Verein er sein will. Will er sich auf das Sportliche konzentrieren oder zum Beispiel auch ein Ort der Begegnung und der Gemeinschaft für die Menschen aus dem Stadtteil sein“, sagt Schröter.
Sportangebotspalette erweitert
Die Turnerschaft hat sich 2004 ein neues Leitbild gegeben – und entschied, vielfältiger zu werden. So blieb man der Tradition treu, Schwerpunkt des sportlichen Programms bilden nach wie vor die Turnsportarten. Doch die Macher haben das Angebot Schritt für Schritt angepasst und jede Aktivität unter die Dachmarke „Bewegung“ gesetzt. Jetzt ist für alle Altersklassen vom Eltern-Kind-Turnen, über Beachvolleyball bis zum Sport für Ältere für alle etwas dabei – selbst Exotisches wie die Trendsportart Le Parcour.
Vereinseigenes Fitness-Studio
„Wir hatten das Ziel definiert, unser Bewegungsangebot zu erweitern und ein Sportstudio einzurichten. Dazu haben wir das Vereinsheim ausgebaut“, berichtet Susanne Ries. Der Fitness- und Gesundheitssport im „Studio 1912“ wurde zum Renner, die Kurse – die auch Nicht-Mitgliedern offenstehen – sind fast immer ausgebucht. „Wir sind nun viel unabhängiger vom Hallenbelegungsplan der Stadt“, nennt Andreas Ebersbach einen wesentlichen Vorteil.
Auch das schmucke Vereinsgelände bekam ein Facelift: Die Beachvolleyballanlage wurde erweitert, ein Boule-Platz ergänzt – beide Wünsche kamen aus den Reihen der Sportler. In Kürze sollen die Anlaufbereiche für den Weit- und Hochsprung mit einer Tartanfläche versehen werden, um die Trainingsbedingungen der Leichtathleten zu verbessern. Die Turnerschaft 1912 ist im wahrsten Wortsinn immer in Bewegung.