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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Berlin/Köln (SID) Verschärfung ja, Freiheitsstrafe nein – deutsche Spitzensportler reagierten auf den Entwurf für das neue Anti-Doping-Gesetz mit gemischten Gefühlen. Auch aus juristischer Sicht drohen Probleme bei der Umsetzung.

Die Freiheitsstrafe ist manchem Spitzensportler ein Dorn im Auge, die Vereinbarung mit dem Sportrecht bereitet den Juristen Kopfzerbrechen: Die angedachte Verschärfung des Anti-Doping-Gesetzes wurde im deutschen Sport allgemein begrüßt, es gab aber auch Kritik und Zweifel am Entwurf des Innen- und Justizministeriums.

Während der renommierte Sportrechtler Michael Lehner große Probleme beim Zusammenspiel zwischen Sport- und Strafrecht sieht, kritisieren deutsche Top-Athleten die Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren für Doper. „Ich bin für härtere Strafen und auch dafür, dass schon der Besitz von Dopingmitteln strafbar ist. Aber Freiheitsstrafen halte ich für übertrieben, es sei denn, Athleten handeln mit Dopingmitteln“, sagte Zehnkampf-Vizeweltmeister Michael Schrader.

Matthias de Zordo, Speerwurf-Weltmeister von 2011, hält die Möglichkeit einer dreijährigen Gefängnisstrafe sogar für „schwachsinnig und nicht zielführend“. Auch Schwimm-Europameister Marco Koch äußerte Bedenken: „Vielleicht nimmt man auch aus Versehen das falsche Medikament, weil man krank ist. Dann würde man zu hart bestraft werden.“

Für Freiwasserschwimmer Thomas Lurz ist ein deutsches Anti-Doping-Gesetz alleine völlig uninteressant. „Wenn das neue Gesetz international nicht standardisiert wird, bringt es mir gar nichts“, sagte der Olympia-Zweite. Ähnlich forderte Schrader: „International muss härter durchgegriffen werden. Wir brauchen weltweit eine einheitliche Regelung.“

Die Radprofis Tony Martin, John Degenkolb und Marcel Kittel, die sich in der Vergangenheit immer wieder für schärfere Gesetze ausgesprochen hatten, begrüßten ebenfalls den Entwurf. „Entscheidend aber ist, dass er auch als Gesetz bestätigt und umgesetzt wird“, sagte Kittel.

Der Entwurf muss nun das parlamentarische Prozedere durchlaufen, ehe es im Bundestag möglicherweise noch vor der Sommerpause zur Abstimmung kommt. Das ist auch davon abhängig, wie stark der Widerstand des Deutschen Olympische Sportbundes (DOSB) ist. Am 30. September wollte DOSB-Präsident Alfons Hörmann den Gesetzentwurf nicht näher bewerten.

„Grundsätzlich begrüßen wir, dass die bislang abstrakte Diskussion nach Vorliegen des Entwurfs wesentlich konkreter geführt werden kann“, sagte Hörmann lediglich. Der DOSB stand einer derart tiefgreifenden Gesetzesreform wie nun angedacht bislang ablehnend gegenüber. Der Dachverband fürchtete vor allem eine Entwertung der Sportgerichtsbarkeit.

Auch die Nationale Anti-Doping-Agentur sprach sich für ein „effektives Nebeneinander von sport- und strafrechtlicher Dopingverfolgung“ aus, wie NADA-Vorstand Lars Mortsiefer am 30. September betonte. Eine Reform der Sportgerichtsbarkeit fordert dagegen Sportrechtler Lehner.

„Die Strafhärten im Sport müssen heruntergefahren werden, es sollte nicht mehr als sechs Monate gesperrt werden“, sagte er dem SID. Im Falle einer solchen Regelung hätte man eine „Harmonisierung, in der auch die Beweislastumkehr im Sportrecht zumutbar wäre“, erklärte Lehner.

Der Gesetzentwurf sieht vor, Doping zum Straftatbestand zu machen. Die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit soll eingeführt werden, die eine Verschärfung der bislang gültigen Strafbarkeit für den Besitz „nicht geringer Mengen“ darstellt.

Zudem sollen nicht nur wie bislang die Hintermänner, sondern auch Kaderathleten unter Strafe gestellt werden, wenn sie gedopt haben oder in Besitz von Dopingmittel sind. Dopern droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, auf Erwerb und Besitz sollen bis zu zwei Jahre Haft stehen. Auch Preisgelder sollen künftig eingezogen werden können, wenn auch nur der Verdacht besteht, dass unerlaubte Mittel im Spiel gewesen sind.

Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) meinte: „Wenn es zu so einem Gesetz kommt, wäre es ein wichtiger Baustein für den Anti-Doping-Kampf.“