Monaco (SID) Die Agenda 2020 lässt die Phantasie blühen. Nach Bachs Triumph mit der Reform im IOC könnten Olympische Spiele bald ein neues Gesicht bekommen. Das betrifft auch eine mögliche deutsche Bewerbung. Hamburg trägt Basketball in Kiel oder Bremen aus, Berlin lässt Volleyball im polnischen Stettin spielen: Die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einstimmig beschlossene Agenda 2020 lässt rund um mögliche deutsche Olympia-Bewerbungen wilde Blüten treiben. IOC-Präsident Thomas Bach hat nichts dagegen.
„Ja, ich finde das sehr positiv, weil es das Ziel der Agenda 2020 ist“, sagte Bach dem SID in Monaco Anfang Dezember zu den möglichen Ausgliederungen von Wettkämpfen aus den Gastgeber-Städten. „Wir wollen mit der Flexibilität, die wir hier gezeigt haben, die Vielfalt anregen.“
Olympia muss nicht mehr nur an einem Ort stattfinden. Wenn bestehende Anlagen im Umland oder auch in einem Nachbarland nutzbar sind, dann: bitte schön! Bach will das forcieren, um Kosten zu senken, damit sein Olympia endlich wegkommt vom negativen Image des Gigantismus.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) folgt seinem früheren Vorsitzenden. „Das ist für uns gar keine Frage mehr“, meinte DOSB-Präsident Alfons Hörmann in Monaco. Mit Blick auf die Agenda sagte er: „Manche Sportart wird sich wundern, was in diesem Paket enthalten ist.“
Für den Fall einer Berliner Bewerbung brachte sich bereits die polnische Hafenstadt Stettin ins Gespräch. „Vorrundenspiele im Handball, Volleyball oder Basketball könnten bei uns ausgetragen werden“, sagte der stellvertretende Stadtpräsident Krzysztof Soska. Für Hamburg waren schon Kiel, Bremen oder Lübeck als mögliche Austragungsorte für Ballsportarten im Gespräch.
Das könnte aber auch bedeuten, dass die Olympischen Spiele die Einheit von Zeit und Ort aufs Spiel setzen, die das Alleinstellungsmerkmal dieser Veranstaltung ausmacht. Viele IOC-Mitglieder befürchten zudem erhöhte Reisekosten und trennten sich in der Abstimmung nur ungern von der Tradition. IOC-Vize John Coates (Australien) brachte es auf den Punkt: „Jeder Sportler muss ein Bett im Olympischen Dorf haben.“
Der DOSB entscheidet im März 2015, ob man sich mit Berlin oder Hamburg um die Sommerspiele 2024 bewirbt. Nach Einschätzung Bachs liefere der klare Zuspruch für die Agenda im IOC auch in Deutschland gute Argumente pro Olympia. Er hoffe, dass die Botschaft von Monaco „auch in Deutschland“ gehört werde. Seinen Triumph im IOC wollte der Fecht-Weltmeister von 1976 nicht als sporthistorisches Ereignis einordnen: „Das ist nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen.“
Ebenfalls schon betroffen von der neuen Agenda sind die Ausrichter-Städte für die Spiele 2018 und 2020, Pyeongchang (Südkorea) und Tokio (Japan). Das finanziell angeschlagene Pyeongchang soll nach Überlegungen des IOC in vier Jahren die Bob- und Rodelanlage von Nagano/Japan nutzen. Das erspart den teuren Neubau.
Tokio könnte von der Flexibilität des Sportprogramms profitieren und hofft auf die Aufnahme der in Japan populären Sportarten Softball und Baseball. „Wir werden nach dieser Session die Diskussionen mit den Organisationskomitees von Pyeongchang und Tokio starten. Wir werden ausloten, welche Möglichkeiten die Agenda 2020 diesen Städten bietet“, sagte Bach.
Nicht mehr anzuwenden sind die neuen Regeln laut Bach auf das Bewerberverfahren um die Olympischen Winterspiele 2022. Der Kanadier Richard Pound forderte zum Abschluss der 127. IOC-Session den Neustart des Bewerberverfahrens, weil nur die zwei verbliebenen Städte Almaty (Kasachstan) und Peking (China) von den Neuerungen profitierten, die zuvor ausgeschiedenen Städte aber nicht.
Pound, Gründungspräsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), öffnete damit eigentlich geschickt die Tür für das IOC, das blamabel verlaufene Bewerbungsverfahren mit dem frühen Ausstiegen von München, Graubünden (Schweiz), Stockholm (Schweden), Oslo (Norwegen), Lwiw (Ukraine) und Krakau (Polen) neu zu starten. Doch Bach stieß die Tür sofort zu und wollte offenbar so auch jedem Anfangsverdacht von Mauschelei zuvorkommen.