Barcelona (SID) Britta Steffen möchte nicht mit Henning Lambertz tauschen. „Ich wäre in seiner Position komplett überfordert“, gab die Weltrekordlerin zu. Dabei beginnt für den neuen Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz die Arbeit jetzt erst richtig. Nach den enttäuschenden Weltmeisterschaften in Barcelona will und muss der 42-Jährige deutliche Akzente setzen.
„Es ist ein großer Schritt, den wir machen müssen“, sagte Lambertz, nachdem im Palau Sant Jordi praktisch alle Ziele verfehlt worden waren: „Es liegt vieles viel tiefer im Argen, als man vermuten konnte.“ Seine Forderung ist unmissverständlich: „Die Basis stimmt nicht. Wir müssen mehr, härter und intensiver trainieren.“
Im ersten halben Jahr seiner Amtszeit hat sich der langjährige Essener Stützpunkttrainer vor allem um atmosphärische Verbesserungen bemüht. Die miese Stimmung nach der historischen Olympia-Nullnummer in London sollte aufgehellt, die Kommunikation unter den Trainern verbessert werden. Ansonsten ließ er Schwimmern und Übungsleitern weitgehend freie Hand.
Das ändert sich jetzt. „Die nächste Saison wird mit deutlich mehr Vorgaben ablaufen, als es bisher der Fall war“, kündigte Lambertz an: „Die Freiheiten sind in vielen Bereichen nicht so umgesetzt worden, wie wir sie uns erhofft haben.“ Bei der WM beobachtete und analysierte Lambertz. Einen Tag danach mussten alle Heimtrainer die kompletten Trainingsdaten ihrer Schützlinge vorlegen.
Mit dem Zahlenmaterial in der Hand will der neue Schwimm-Chef vor allem eines belegen: Es wird zu wenig für die Grundlagen getan, das Training beginnt zu spät und wird zu oft für die Kurzbahn-Saison unterbrochen. „Dann stehen wir am 1. Januar da und haben keine Kohlen im Kessel“, resümierte er. Das reiche für die deutschen Meisterschaften, aber nicht noch ein zweites Mal bei WM oder Olympia.
Die Ergebnisse von Barcelona belegen Lambertz‘ These. Nur in 17 Prozent der Einzelstarts konnten die Schwimmer ihre Zeiten von der DM im April verbessern. 70 Prozent hatte der Bundestrainer angepeilt – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man in der Weltspitze mitschwimmen will.
Es wird zu wenig trainiert
Doch es gab schon ersten leisen Widerspruch. Ganz so einfach sei die Lösung nicht, sagte Petra Wolfram, die die Brüder Steffen und Markus Deibler trainiert. „Ich bin nicht diejenige, die dafür ist, dass wir alle mehr Meter trainieren müssen, nur damit es besser wird“, sagte die ehemalige Trainingswissenschaftlerin.
Unterstützung erhielt Lambertz vom deutschen Medaillensammler Nummer eins in Barcelona. „Wenn man auf dem hohen, internationalen Level mithalten will, muss man höchst professionell arbeiten“, sagte Freiwasser-Rekordweltmeister Thomas Lurz, der vier der insgesamt zehn deutschen WM-Medaillen gewann. Lurz ist für seinen Trainingsfleiß bekannt, er reißt im Jahr 3000 bis 3500 Trainingskilometer ab. Auch sein Bruder Stefan Lurz, Bundestrainer der erfolgreichen Freiwasserschwimmer, bringt es auf denselben Nenner: „Es wird zu wenig trainiert.“
Entscheidend für Lambertz, der einen Vertrag bis 2016 mit Option auf vier weitere Jahre hat, wird sein: Kann er sich gegen die Heim- und Stützpunkttrainer durchsetzen? Anders als bei seinen Vorgängern ist die Unterstützung durch den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) nach der schlechtesten WM der Beckenschwimmer in der Geschichte offenbar vorhanden. DSV-Leistungssportdirektor Lutz Buschkow stellte klar: „Ich habe ihn darin immer bestärkt.“