Boom (SID) Welthockeyspieler Moritz Fürste meldete sich vorsichtshalber schon einmal ab. „Vorm Nachmittag bin ich nicht zu erreichen“, sagte der 28-Jährige, bevor er sich mit seinen Kollegen in die Nacht von Antwerpen stürzte. Bis in die frühen Morgenstunden feierten die deutschen Gold-Jungs den Triumph im EM-Finale und die erfolgreiche Titelverteidigung. Der Olympiasieger hatte sich Ende August in einem hochklassigen und spannenden Endspiel in Boom mit 3:1 (0:0) gegen Gastgeber Belgien und 8400 Fans durchgesetzt.
„Von der Stimmung her war es die schönste EM, die ich je gespielt habe“, sagte Torschütze Benjamin Wess. „Eigentlich kann ich es gar nicht fassen, dass wir wieder gewonnen haben.“ Grund zum Feiern hat das Team von Bundestrainer Markus Weise allemal. „Ich freue mich wahnsinnig über den Titel. Die Jungs haben es wieder einmal geschafft, zum richtigen Zeitpunkt zu einer Einheit zusammenzuwachsen, alle haben gebrannt“, so der Erfolgscoach.
Seine Mannschaft ist in Europa eine Macht. In Boom feierte die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) bereits den achten Titel. Bis auf 2007 in Manchester holten die Deutschen seit der ersten EM 1970 jedes Mal eine Medaille. Dabei war die Ausgangslage in diesem Jahr besonders schwierig: „Jedes Turnier hat eine eigene Geschichte, dieses Turnier haben wir gegen jede Widrigkeit gewonnen“, sagt Kapitän Fürste.
Erst im März begann das Team die Saisonvorbereitung mit einem Lehrgang in Südafrika. Der Fokus lag ganz klar auf der World League, bei der in diesem Jahr erstmals die Tickets für die WM 2014 in Den Haag vergeben wurden. Zuvor hatte man sich für WM oder Olympia immer über die kontinentale Meisterschaft qualifiziert.
„Eine deutsche Mannschaft ist erst dann geschlagen, wenn sie im Bus sitzt.“
„Jemandem in einer anderen Sportart könnte man gar nicht erzählen, dass er ein paar Wochen nach dem Saisonhöhepunkt nochmal auf so einen Höhepunkt kommen muss. Das ist ja schon keine Formkurve mehr, sondern eine Formgerade, die man halten muss. Das ist wahnsinnig schwer“, so Fürste, für den dieser EM-Titel gerade wegen der Terminschwierigkeiten und der personellen Umstrukturierungen ein ganz besonderer war. Denn das Weise-Team musste in Boom auch noch ohne zwei wichtige Stützen auskommen. Christopher Zeller nahm sich wegen seines Studiums eine Auszeit, Maximilian Müller fiel wegen einer Achillessehnenoperation aus.
So war auch der Start in das Turnier nicht optimal. Es setzte eine Auftaktniederlage gegen den späteren Finalgegner Belgien. „Wir haben diese Niederlage gebraucht“, sagt Coach Weise: „Nicht nur für das Endspiel, sondern auch für das ganze Turnier. Wir haben gesehen, dass wir nicht auf Niveau waren und haben daran gearbeitet.“
Diese Mentalität ist es, die die deutschen Männer in den letzten Jahren ausgezeichnet hat und die Frauen-Trainer Jamilon Mülders auch seinen Schützlingen dauerhaft einimpfen will, die ebenfalls den Titel holten. „Wir wissen, dass wir uns in den wichtigen Spielen steigern können und dass wir eine Turniermannschaft sind, die dann auch im entscheidenden Moment da ist. Das hat auch das Halbfinale und das Finale wieder gezeigt“, sagt Oliver Korn.
Teamleader Fürste beschreibt das als „jetzt erst recht“-Stimmung, gerade wenn das Team einem Rückstand hinterher läuft. Der geschlagenen Konkurrenz bleibt wieder einmal der oft mit Resignation zitierte Spruch: „Eine deutsche Mannschaft ist erst dann geschlagen, wenn sie im Bus sitzt.“