Frankfurt/Main (SID) Am Ball hat Reinhard Grindel so seine Probleme. Bei der traditionellen „Reifeprüfung“ an der Torwand des Aktuellen Sportstudios im ZDF setzte der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) alle sechs Versuche neben das Ziel. Ein schlechtes Omen muss das allerdings nicht sein – der Sport an sich ist keiner der Brennpunkte, um die sich der 54-Jährige in den kommenden Monaten als Krisenmanager kümmern muss.
„Wir können nicht so weitermachen wie bisher“, sagte der CDU-Politiker, der am 15. April beim DFB-Bundestag mit großer Mehrheit gewählt worden war, der Welt am Sonntag: „Ich stehe für einen Neuanfang und habe in meiner Funktion als Schatzmeister gezeigt, dass ich für einen neuen Stil der Verbandsarbeit stehe – mehr Transparenz, keine Abschottung, Fenster und Türen auf, um frische Luft hereinzulassen.“
Trotz des frischen Windes in der DFB-Zentrale steht aber auch Grindel vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Bei der Aufklärung der WM-Affäre 2006 ist der Weltmeister-Verband nach dem Abschluss der Freshfields-Untersuchung am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. „An diesem Punkt sind Staatsanwaltschaften, sei es in der Schweiz, Deutschland oder den USA, eher in der Lage, etwas zu erreichen“, sagte der DFB-Chef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Was sollten wir denn sonst noch machen?“
In gleich mehreren Interviews stellte der neue DFB-Chef klar, dass jetzt eigentlich alles an der Skandal-Schlüsselfigur Mohamed bin Hammam (66) hängt, bei dem die Spur zu den dubiosen 6,7 Millionen Euro endet. „Mir fehlt aber die Phantasie, um mir legitime Instrumente vorzustellen, mit denen ein gemeinnütziger Verband bin Hammam zum Sprechen bringen könnte.“ Von den deutschen Figuren der Affäre sei indes nicht mehr viel zu erwarten.
„Wenn Franz Beckenbauer sagt: Das, was er gesagt hat, ist das, was er weiß (…), dann müssen wir von diesem Stand ausgehen“, sagte Grindel, der sein Bundestags-Mandat zum „Anfang der Sommerpause“ niederlegen wird, und betonte, dass interne Sanktionen durch die geplante DFB-Ethikkommission nichts nützen würden.
„Beckenbauer ist Ehrenmitglied und Ehrenspielführer, weil er als Spieler und Teamchef entscheidend an zwei Weltmeistertiteln beteiligt war und Einzigartiges geleistet hat. Diese Verdienste bleiben immer bestehen“, sagte er: „Glauben Sie, dass jetzt Drohungen, ihm Ehrenauszeichnungen abzuerkennen, an seinen Ausführungen etwas ändern?“
Im ZDF-Gespräch nahm Grindel ebenso seinen Vorgänger Wolfgang Niersbach (65) in Schutz, der weiterhin in den Führungsgremien des Weltverbandes FIFA und der Europäischen Fußball-Union (UEFA) sitzt. Erst nach dem Abschluss der Ermittlungen der FIFA-Ethikkommission werde er sich zu einem möglichen Plan B äußern, sagte Grindel und hob erneut die großen Leistungen Niersbachs in dessen 28 Jahren beim DFB hervor. Unberührt davon seien mögliche Ansprüche gegen Niersbach und Co., die der DFB im Zuge des Steuerverfahrens stellen müsse.
„Da der DFB ein gemeinnütziger Verband ist, kann das Präsidium gar nicht anders, als genau das zu tun, weil wir uns der Untreue schuldig machen würden, wenn wir auf etwaige Ansprüche verzichten würden“, sagte Grindel. In den Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft geht es um Millionen-Strafen, die wegen der 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung von 2005 auf den DFB zukommen könnten. Der Verband droht für diese Zeit die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Auf etwas Ruhe darf sich Grindel erst während er Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) freuen, bei der die Spiele die Verbandsthemen überlagern werden. Mit Bundestrainer Joachim Löw werde er „demnächst zusammen Essen gehen“, kündigte Grindel im Express an: „Er ist ein ausgezeichneter Trainer und ich habe absolutes Vertrauen in ihn.“
Vertrauen hat der DFB offenbar auch in die Fans: Bei der Bewerbung um die EURO 2024 werde es im Gegensatz zur Olympia-Kandidatur Hamburgs keinen Volksentscheid geben, sagte Grindel: „Die Spiele in Hamburg wären sehr viel teurer geworden mit Milliardeninvestitionen in eine neue Infrastruktur. Da ist eine Volksbefragung, zumal hohe Mittel vom Hamburger Haushalt zu stemmen gewesen wären, nachvollziehbar. Wir haben ein Konzept, das auf bestehender Infrastruktur basiert.“
Der DFB könne eine EM-Endrunde zu vergleichsweise günstigen finanziellen Rahmenbedingungen austragen. In keiner Weise müsste so investiert werden wie für die WM 2006.