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April 2024

ARAG

Nicht nur bei internationalen und nationalen Radrennveranstaltungen von Rang, sondern auch bei allen weiteren Veranstaltungen dieser Art ist die Aufmerksamkeit auf die Verantwortung der Veranstalter gelenkt. Sie kommen als Verantwortliche und Haftende für Sportunfälle ebenso in Betracht wie der Sportler selbst.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bezieht sich die Verkehrssicherungspflicht des Organisators einer Sportveranstaltung gegenüber den teilnehmenden (Rad-)Sportlern grundsätzlich nicht darauf, die Sportler vor solchen Gefahren zu schützen, die mit ihrer Beteiligung typischerweise verbunden sind. Inhalt der Verkehrssicherungspflicht sind vielmehr in erster Linie drohende atypische Gefahren.

Als eine besonders gefährliche Stelle sah z.B. das OLG Köln ungepolsterte Pfähle und Masten auf ‚grünen Inseln‘ an einer Straße im Bereich der Zielgeraden an. An einem solchen hatte sich ein Radfahrer in der 70. Runde beim Sturz nach einer Drängelei lebensgefährlich verletzt.

Zwar tendiert die Rechtsprechung nicht dazu, das Aufstellen von massiven Gittern bei den meist viele Kilometer langen Rennstrecken zur Pflicht zu machen, denn Gefahrenabwehr kann immer nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verlangt werden.

Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der Anreiz für Teilnehmer und Zuschauer hinsichtlich der Strecke: Je schwieriger und abwechslungsreicher der Kurs, desto attraktiver ist er für alle Beteiligten. So hat auch noch niemand verlangt, Steigungen und Abfahrten im Streckenverlauf zu eliminieren.

Die Abpolsterung ungewöhnlich gefährlicher Stellen, wie z.B. von Leitplanken in einer Kurve, zählt jedoch nach höchstrichterlicher Meinung zur unbedingten Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters. Wegen der Inkaufnahme der Gefahr durch Teilnahme ist allerdings ein Mitverschulden des verunfallten Sportlers in Anrechnung zu bringen.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Radrennen um einmalige Sportveranstaltungen mit einem begrenzten Teilnehmerkreis handelt, weshalb an die Verkehrssicherungspflichten nicht die hohen Anforderungen gestellt werden können, wie sie beispielsweise bei dem als Massensport betriebenen Skilauf verlangt werden.

Zuschauer und Teilnehmer sollen vom Veranstalter vor allem im Zielbereich durch Absperrungen, wie z.B. Flatterbänder oder Pfosten, bei Querung der Strecke vor einem Zusammenstoß bewahrt werden.

Ein Rennfahrer muss sich darauf verlassen können, dass der Renn-Veranstalter die zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um Unfälle zu vermeiden. So verurteilte das OLG Stuttgart einen veranstaltenden Verein zum Schadensersatz, weil dieser nicht verhindert hatte, dass Zuschauer in die Strecke hineinliefen bzw. unbeteiligte Verkehrsteilnehmer die Straße querten.  Dadurch wurde ein Radfahrer schwer verletzt. Diese Vorgabe zur Verkehrssicherung beinhaltet darüber hinaus auch, dass der Veranstalter eine ausreichende Zahl von Streckenposten einsetzt.

Es ist also hier eine Tendenz festzustellen, es nicht bei den oben beschriebenen allgemeinen Grundsätzen – also bei der Haftung für verdeckte und atypische Gefahren – zu belassen, sondern eine Haftung für die Beseitigung besonderer Unfallquellen zu verlangen.

Dabei gilt jedoch nach wie vor, dass der Schadenverhütungsaufwand stets in einem angemessenen Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit und dem Ausmaß des etwaigen Schadens stehen muss. Die Relation und die Zumutbarkeit der Schadenverhütung ist dabei aufgrund einer Betrachtung „ex ante“ (lat. im Vorhinein) zu beurteilen. Das heißt,  die Haftung des Organisators einer Sportveranstaltung darf für einen eingetretenen Schaden nicht schon deshalb bejaht werden, weil ihm „ex post“ (lat.: im Nachhinein) gesehen schadensvermeidende Verhaltensalternativen zur Verfügung standen, die für sich betrachtet zumutbar waren.

In ständiger BGH-Rechtsprechung bedarf es daher nur solcher (zumutbarer) Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, da eine Verkehrssicherung, die jede Unfallverletzung/jeden Schaden ausschließt, nicht erreichbar ist.