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April 2024

Sport und Verein

Acht Jahre nach der Insolvenz eines größeren Sportvereins im Saarland holte einige vormals Verantwortliche des Klubs die Vergangenheit ein. Das Finanzgericht des Landes bestätigte Haftungsbescheide gegen den ehemaligen Präsidenten, dessen Stellvertreter und den Schatzmeister über ca. 260.000 Euro wegen nicht abgeführter Lohnsteuer in den Jahren 1994 bis 2002.

Dem geschäftsführenden Vorstand dieses Vereins gehörten in den betreffenden Jahren neben dem Präsidenten zwei Stellvertreter sowie ein Schatzmeister und Schriftführer an.

Im Verein bestanden satzungsgemäß für die im Verein betriebenen Sportarten Abteilungen, die durch einen Abteilungsvorstand geführt wurden. Der Abteilungsvorstand durfte Verpflichtungen, die außerhalb des sportlich unbedingt Notwendigen und Unaufschiebbaren lagen, nur mit der vorherigen Zustimmung des geschäftsführenden Vorstands des Vereins eingehen.

Aufgrund einer Selbstanzeige des 2003 ins Amt gekommenen Vereinspräsidenten führte das Finanzamt eine Lohnsteueraußenprüfung bei dem Verein durch. Diese Prüfung ergab, dass der Verein im Prüfungszeitraum unvollständige Lohnsteueranmeldungen abgegeben habe, in denen Lohnzahlungen an Trainer, Betreuer und Spieler nicht oder nur teilweise einer Versteuerung unterworfen worden seien.

Der Verein habe mehrere Trainer, Betreuer und Spieler beschäftigt, mit denen Dienstverträge abgeschlossen gewesen seien. Mit all diesen Beschäftigten waren Nettolohnvereinbarungen getroffen worden. Die Vergütungen an die Spieler und Trainer der betreffenden Abteilungen seien fast ausschließlich über das Konto des Förderkreises C e.V. ausgezahlt worden.

Aus den Prüfungsfeststellungen ergaben sich für den Verein Lohnsteuernachforderungen nach § 40 a Abs. 2 EStG sowie Haftungsbeiträge nach § 42 d EStG in Höhe von ca. 260.000 Euro.

Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vereins eröffnet worden war, nahm das Finanzamt den Präsidenten der Jahre 1994 bis 2002 für die Lohnsteuer-, Solidaritätszuschlag- und Kirchensteuerschulden des Vereins für die Abmeldungszeiträume 1994 bis 2002 auf der Grundlage von §§ 69, 34 AO in Haftung.

Gegen diesen Bescheid legte der vormalige stellvertretende Präsident Einspruch ein. Er vertrat darin die Auffassung, er sei zu Unrecht in Haftung genommen worden. Er sei für den Verein nur ehrenamtlich tätig gewesen. Der Vorstand eines Vereins hafte aber nur dann wie ein GmbH-Geschäftsführer, wenn sich der Verein wirtschaftlich betätige, was nicht der Fall gewesen sei. Der Verein habe eine gemeinnützige Aufgabe erfüllt. Dem ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglied eines nicht wirtschaftlich tätigen Vereins könnten daher nicht die gleichen Überwachungspflichten auferlegt werden, wie einem GmbH-Geschäftsführer, der seine Tätigkeit berufsmäßig ausübe.

Außerdem sei er nie im Vereinsregister als gesetzlicher Vertreter des Vereins eingetragen gewesen und habe zudem die Verletzung steuerlicher Pflichten nicht zu verantworten. Seine Aufgabe sei lediglich die Pflege der Homepage des Vereins gewesen und nicht die Besorgung der finanziellen und steuerlichen Belange. Er habe nicht einmal Konto-Vollmacht gehabt.

Auch könne man ihm keinen Verschuldensvorwurf machen. In den Vorstandssitzungen habe er von den Kollegen regelmäßig erfahren, dass alles seine Richtigkeit habe. Er habe auch nicht die steuerlichen Kenntnisse oder Kenntnisse in Buchführung gehabt, um die „Tricksereien““ des Schatzmeisters zu durchschauen. Der Schatzmeister habe die Fußballabteilung praktisch selbst verwaltet, ohne dem Vereinsvorstand irgendwelche Verträge vorzulegen, und alle Vereinbarungen ohne Wissen des Vorstands getroffen.

Mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten des Vereins sei außerdem eine Steuerbera-tungs-Gesellschaft beauftragt worden, die regelmäßig Bericht erstattet habe. Daher habe er auch keine Veranlassung gesehen, die Richtigkeit dieser Angaben in Frage zu stellen.

Das Finanzamt entgegnete dem, dass der stellvertretende Präsident als gesetzlicher Vertreter in Erscheinung getreten und somit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verpflichtet gewesen sei. In Ermanglung klarer schriftlicher Zuständigkeitsregelungen habe auch keine Beschränkung der Pflichten stattgefunden. Der stellvertretende Präsident habe sich jedenfalls nicht darauf verlassen dürfen, dass die steuerlichen Pflichten durch andere erfüllt würden.

Die Klage des stellvertretenden Präsidenten wurde abgewiesen. Der auf der Grundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ergangene Haftungsbescheid war rechtmäßig.

Nach § 69 Satz 1 AO haften die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden.

Als stellvertretender Präsident des Vereins war der Kläger Mitglied des Vorstands und damit Teil des gesetzlichen Vertretungsorgans (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 BGB). Maßgeblich ist jedenfalls nicht die Eintragung in das Vereinsregister – diese wirkt lediglich deklaratorisch – sondern nur die formell ordnungsgemäße Bestellung.

Als gesetzlicher Vertreter des Vereins hatte der stellvertretende Präsident – ungeachtet seiner konkreten Aufgaben im Verein – nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO die steuerlichen Pflichten des Vereins zu erfüllen. Dazu gehörte insbesondere auch die Pflicht, die Lohnsteuer nach § 38 a EStG zu berechnen und gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1, 41 a Abs. 1 EStG für die Spieler, Trainer und Betreuer einzubehalten, anzumelden, und an das zuständige Betriebsstätten-Finanzamt abzuführen.

Die Spieler des Vereins waren Arbeitnehmer im Sinne der §§ 38 ff. EStG, § 1 LStDV. Das galt auch für die Trainer und für die vom Verein beschäftigten Betreuer. Arbeitgeber war der Verein, nicht die einzelnen Abteilungen. Denn die Abteilungen des Vereins waren im Haftungszeitraum keine selbständigen Vereine und somit nicht rechtsfähig. Arbeitgeber ist, wer in dem Rechtsverhältnis die Schuldnerposition zur Arbeitslohnzahlung hat. Ein Sportverein, der mit Spielern Arbeitsverträge abschließt und diesbezügliche Lohnsteueranmeldungen abgibt, ist folglich auch dann zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer verpflichtet, wenn nach der Satzung des Vereins Abteilungen mit eigenem Vertreter bestehen und diesen eine gewisse Selbständigkeit eingeräumt wird.

Seine Pflichten als Vorstandsmitglied aus § 34 Abs. 1 AO hat der stellvertretende Präsident verletzt, indem er nicht dafür Sorge getragen hat, dass für alle Lohnzahlungen, die an die Spieler und sonstige Arbeitnehmer des Vereins erfolgt sind, die Lohnsteuer einbehalten, angemeldet und abgeführt wurde.

Nach den Feststellungen der Lohnsteuerprüfung wurden jedoch an die Arbeitnehmer unversteuerte Nettozahlungen geleistet. Dabei handelt es sich um Lohnzahlungen an die Spieler, mit denen Nettolohnvereinbarungen getroffen wurden, die durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn anzusehen waren.

Die Verantwortlichkeit des stellvertretenden Präsidenten war nicht dadurch ausgeschlossen oder eingeschränkt, dass er nicht – wie etwa ein angestellter GmbH-Geschäftsführer entgeltlich und hauptberuflich – sondern nur ehrenamtlich für den Verein tätig war.

Die Haftung nach § 69 AO knüpft allein daran an, dass die in §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen rechtlich oder tatsächlich Vertreter des Steuerschuldners sind.

Ein ehrenamtlich und unentgeltlich tätiges Mitglied eines Vereinsvorstands eines Vereins, der sich als solcher wirtschaftlich betätigt und zur Erfüllung seiner Zwecke Arbeitnehmer beschäftigt, haftet mithin für die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten des Vereins nach denselben Grundsätzen wie ein Geschäftsführer einer GmbH.

Auch wenn ehrenamtliche Vereinsvorstände ihrer Tätigkeit ohne Vergütung nachgehen und mit ihrem Engagement für die Gesellschaft wertvolle Dienste leisten, hat ihre Haftungsinanspruchnahme nach Maßgabe der §§ 69, 34, 35 AO zu erfolgen und unterliegt keinen spezifischen Einschränkungen. Das entspricht der klaren gesetzlichen Regelungsanordnung. Der Gesetzgeber hat 2009 von einer diesbezüglichen Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen bewusst Abstand genommen.

Der stellvertretende Präsident konnte sich auch nicht darauf berufen, seine Aufgaben im Verein hätten sich auf den EDV-Bereich beschränkt. Denn § 34 Abs. 1 AO verpflichtet im Interesse der Sicherstellung der steuerlichen Pflichten der nicht selbst handlungsfähigen juristischen Personen alle gesetzlichen Vertreter gleichermaßen, deren steuerliche Pflichten zu erfüllen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH), die dieser im Wesentlichen am Beispiel von Geschäftsführern einer GmbH entwickelt aber auf den Bereich der eingetragenen Vereine überträgt, kann zwar bei einer Verteilung der Geschäfte auf mehrere Verantwortliche hinsichtlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten eine gewisse Haftungsbegrenzung für den hierfür intern nicht zuständigen gesetzlichen Vertreter in Betracht kommen. Dies erfordert aber eine vorweg getroffene, eindeutige – und deshalb schriftliche – Klarstellung, wer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfall nicht jeder auf die Verantwortlichkeit eines anderen verweisen kann.

Aber: Der Grundsatz der Gesamtverantwortung eines jeden gesetzlichen Vertreters verlangt zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im Ganzen. Eine solche erfolgte im vorliegenden Fall eindeutig nicht. Der stellvertretende Präsident hatte sich vielmehr darauf beschränkt, die ihm unmittelbar zugewiesenen Aufgaben im Vorstand wahrzunehmen.

Zur Überwachung der Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vereins fühlte er sich nicht berufen.

Der stellvertretende Präsident musste sich zwar nicht um den laufenden Geschäftsverkehr und mithin auch nicht um jede einzelne Lohnsteueranmeldung kümmern. Die Erfüllung des steuerlichen Alltagsgeschäfts war intern Aufgabe des Schatzmeisters. Der nicht für solche Geschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs Zuständige soll sich nach der BFH-Rechtsprechung grundsätzlich darauf verlassen können, wenn eine persönliche Vertrauenswürdigkeit und eine generelle Kenntnis von dessen ordnungsgemäßer Geschäftserfüllung besteht.

Ungeachtet der Frage, ob im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür bestanden, an der ordnungsgemäßen Geschäftserfüllung durch den Schatzmeister zu zweifeln, hätte der stellvertretende Präsident auf jeden Fall sicherstellen müssen, dass der Verein seiner lohnsteuerlichen Verpflichtung als solcher nachkommt. Hierfür genügte es nicht, darauf zu vertrauen, dass sich der Schatzmeister und der Steuerberater in gebotenem Maße um die steuerlichen Belange des Vereins kümmerten. Der stellvertretende Präsident hätte bei der Vielzahl der Aktivitäten und angesichts der sportlichen Erfolge des Vereins zumindest nachfragen und gegebenenfalls weiter überprüfen müssen, ob lohnsteuerlich relevante Sachverhalte gegeben waren.

Auch die Einsichtnahme in die jeweiligen Gewinnermittlungen des Vereins hätte zu einer weiteren Überprüfung der Lohnsteuerpflicht im Hinblick auf Spieler und Trainer führen müssen. Aus den Gewinnermittlungen wäre zu ersehen gewesen, dass nicht unerhebliche Ausgaben für Spieler, Trainer und Betreuer getätigt wurden.

Seine gesetzlichen Pflichten hatte der stellvertretende Präsident schuldhaft und grob fahrlässig verletzt. Er hatte keine geeigneten Maßnahmen zur Überprüfung der ordnungsgemäßen und vollständigen Erfassung aller Lohnzahlungen einschließlich der Prämien und etwaiger Zahlungen Dritter ergriffen. Eine solche Pflichtverletzung indiziert nach der Rechtsprechung des BFH grobe Fahrlässigkeit.

Finanzgericht des Saarlandes vom 17.03.2011 – 2 K 1357/08 –