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März 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Kasan (SID) Das perfekte Rennen – Marco Koch ist es bereits geschwommen. In seinem Kopf. Im Trancezustand. Der Vizeweltmeister ließ sich für seinen Traum vom ganz großen Coup bei der Schwimm-WM in Kasan sogar hypnotisieren. „Es ist nicht so, dass ich da auf der Couch liege, jemand schnipst mit den Fingern, und ich falle um“, sagte Koch dem SID: „Ich denke an das perfekte Rennen.“

Viel weniger als das wird wohl auch nicht reichen, wenn der Darmstädter ab dem 6. August auf seiner Paradestrecke 200 m Brust als Mitfavorit ins Rennen geht. Die Konkurrenz ist richtig stark, Koch aber auch. Nach der WM-Silbermedaille 2013 in Barcelona und dem EM-Gold vor einem Jahr in Berlin ist nun vielleicht der ganz große Triumph möglich. Ins Halbfinale zog der Darmstädter als Schnellster ein, am Freitag geht es dann um die begehrten Medaillen.

„Um Gold zu gewinnen, braucht man einen Weltrekord. Mein Ziel ist der deutsche Rekord, und der ist nicht so weit weg vom Weltrekord“, sagte der 25-Jährige. Momentan steht seine nationale Bestmarke bei 2:07,47 Minuten, der Weltrekord des Japaners Akihiro Yamaguchi liegt 0,46 Sekunden darunter. Das Finale am 7. August verspricht hochklassig zu werden: Um die Medaillenplätze streiten unter anderem auch Olympiasieger Daniel Gyurta (Ungarn) und der Weltranglistenerste Yasuhiro Koseki (Japan).

Um die entscheidenden Hundertstel herauskitzeln, forcierte Koch die mentale Arbeit. Eine Heilpraktikerin setzte bei ihm Hypnose ein. „Ich will die Bilder vom Training, bei dem ich mich brutal gut gefühlt habe, im Unterbewusstsein verankern“, erklärt Koch. Auch dadurch sei er mehr und mehr zum Wettkampftypen gereift.

Der Wirtschaftspsychologe geht für den Erfolg gern ungewohnte Wege. Nach einem auffälligen Bluttest stellte Koch vor zwei Jahren seine Ernährung komplett um, er verzichtet auf alle glutenhaltigen und tierischen Produkte – außer auf Fleisch. „Nach Olympia habe ich mittags etwa 54 Chicken-Nuggets gegessen, abends noch mal dasselbe“, sagte Koch einmal. Jetzt gibt es zum Frühstück Reiswaffeln mit Erdnussbutter.

Kochs Kraftwerte schnellten nach oben, seine Figur ist deutlich austrainierter als früher. Sollte er aber in Kasan eine WM-Medaille gewinnen, will der Süßigkeiten-Liebhaber am Buffet ausnahmsweise sündigen: „Dann gönne ich mir ein Stück Schokoladenkuchen.“ Seine Renntaktik für die anvisierte Medaille im Finale steht auch: „Erste Bahn: Schnell reingehen. Zweite Bahn: Etwas Druck rausnehmen. Dritte Bahn: Richtig Gas geben. Vierte Bahn: Irgendwie ins Ziel kommen.“

Bundestrainer Henning Lambertz findet zwar, Koch schwimme auf der Schlussbahn noch zu hektisch, doch am Ende zählt nur der Erfolg. Und den liefert der einzige deutsche WM-Medaillengewinner von 2013 so konstant wie kein anderer.

Die Führungsrolle neben Weltrekordler Paul Biedermann nimmt Koch, der oft in die Schublade „Eigenbrötler“ gesteckt wird, auf seine eigene Art an. „Er hilft selbst Konkurrenten mit einer Badehose aus, oder er stellt sein Einzelzimmer zur Verfügung, wenn jemand krank ist. Außerdem ist er hochprofessionell“, sagte Lambertz: „Wenn ich mir einen Athleten backen könnte, dann wäre er wie Marco Koch.“