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Oktober 2024

Sport und Verein

Eine Stadt in Baden-Württemberg errichtete eine Sporthalle. Die Sporthalle sollte für Zwecke des Schulsports genutzt und auch Vereinen zu überlassen werden.

Die Überlassung ihrer Sport- und Mehrzweckhallen hatte die Stadt in einer Entgeltordnung geregelt. Danach erhob sie für die Inanspruchnahme von Sport- und Mehrzweckhallen für den Übungs-, Trainings- und Schulungsbetrieb im Erwachsenensport zur teilweisen Deckung der Betriebskosten eine Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 € je Stunde. Die Nutzungspauschale wurde auf Grundlage der jeweils mit den Vereinen privatrechtlich vereinbarten Hallenbuchung (Belegungspläne) berechnet. Die Abrechnung erfolgt zweimal jährlich im Voraus. Für allgemeine Veranstaltungen der Vereine werden dagegen 0,25 €/qm, für kommerzielle Veranstaltungen allgemeiner Art (Veranstaltung von Wirtschaft, Handel und Verkehr) 1 €/qm und für kommerzielle Veranstaltungen besonderer Art (Tanz-, Show- und ähnliche Veranstaltungen von Privatpersonen oder privaten Interessengruppen) 2 €/qm sowie Zuschläge für Sonderleistungen und Nebenkosten erhoben.

Nach Angaben der Stadt wurde bei der Überlassung der betreffenden Sporthalle an Vereine ein Kostendeckungsgrad von 12,03 % erzielt. Die Überlassung der Sporthalle an Vereine entsprach einem zeitlichen Nutzungsanteil von 14,29 %.

Das Finanzamt lehnte aber den von der Stadt geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der Sporthalle ab – soweit er anteilig auf die Überlassung der Sporthalle an die Vereine entfiel.

Die Klage der Stadt, mit der sie auch den Abzug weiterer Vorsteuerbeträge für 2010 bis 2012 begehrte, war dann aber erfolgreich.

Das Finanzgericht hatte in seinem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, die Stadt habe beabsichtigt, durch die künftige Überlassung der Sporthalle auf privatrechtlicher Grundlage gegen Entgelt eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.

Die Hallenüberlassung hatte nicht unentgeltlich erfolgen sollen. Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entsprach, sei für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs unerheblich. Maßgeblich für die Annahme eines Leistungsaustauschs sei lediglich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 € je Stunde und Hallenteil für die Hallenüberlassung, nicht allein für die Betriebskosten erbracht worden sei. Die Gegenleistung war auch nicht derart von der Hauptleistung abgekoppelt, dass es an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung fehlte. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die Bemessung des Entgelts vom Vermögen des Leistungsempfängers abhinge und ein Entgelt hierdurch eher den Charakter einer Gebühr erhielte.

Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs war auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Stadt hatte die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze beim Leistungsbezug nachweisen können. Die Überlassung von Sportanlagen war weder nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei, noch stand eine mögliche Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL dem Vorsteuerabzug entgegen.

Die Aufteilung des Vorsteuerabzugs aus den von der Stadt zugleich für ihre beabsichtigte wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit bezogenen Leistungen ergab sich aus der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten über die geplanten zeitlichen Nutzungsanteile der Sporthalle. Die Beteiligten hätten anhand der geplanten zeitlichen Nutzungsanteile die Aufteilung des Vorsteuerabzugs vorgenommen und einen objektiv nachvollziehbaren entgeltlichen Anteil von 14,29 % festgestellt.

Mit der Revision rügte das Finanzamt den anteiligen Vorsteuerabzug aus den Planungs- und Baukosten der Sporthalle als zu Unrecht gewährt.

Die Überlassung der Sporthalle an Vereine sei unentgeltlich gewesen. Die Stadt habe nach ihrer Entgeltordnung nur ein nicht kostendeckendes, symbolisches Entgelt für die durch die Nutzung der Sporthalle entstehenden Betriebskosten erhoben.

Die Stadt verteidigte die Vorentscheidung und legt im Einzelnen dar, dass es sich bei der Überlassung der Sporthalle an Vereine um eine einheitliche (steuerpflichtige) Leistung handele, die entgeltlich erbracht worden sei und die als eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ zu qualifizieren sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Finanzamtes wurde als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Stadt hatte als Unternehmerin gehandelt.

a) Eine juristische Person des öffentlichen Rechts wie die Stadt war nach dem § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG in der für die Jahre 2010 bis 2012 geltenden Fassung Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage ausübte. Erfolgte ihre Tätigkeit dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, war sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

b) Die für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erforderliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt vor, wenn die Stadt mit der Überlassung der Sporthalle an Vereine entgeltliche Dienstleistungen erbracht hatte.

aa) Eine Dienstleistung wird nur dann „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.

bb) Der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird, ist unerheblich, wenn es darum geht, einen Umsatz als „entgeltlichen Umsatz“ zu qualifizieren.

Maßgeblich ist allein das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat.

aa) Die Überlassung der Sporthalle an Vereine war eine sonstige Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.

bb) Diese Dienstleistung wurde gegen Entgelt erbracht.

Das Finanzgericht hatte zu Recht erkannt, dass der erforderliche unmittelbare Zusammenhang vorliegend bereits durch die jeweils auf die konkrete Hallennutzung bezogenen privatrechtlichen Verträge zwischen der Stadt einerseits und dem betreffenden Verein andererseits begründet wurde. Die Vereine hatten die Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 € je Stunde erbracht, um die Sporthalle nutzen zu können, und nicht nur zur anteiligen Deckung der Betriebskosten.

Danach sind zwar die Vermietung einer Immobilie und die Lieferung von u.a. Wasser, Elektrizität und Wärme, die diese Vermietung begleiten, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind. Anders ist es, wenn gewisse Bestandteile des Umsatzes, einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies trifft auf die Überlassung der Sporthalle an Vereine einschließlich der Sportgeräte, mit denen diese ausgestattet ist, und den durch die zusätzliche Nutzung veranlassten Betriebskosten in Gestalt von Heizung, Wasser- und Stromverbrauch zu.

dd) Der Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung stünde ferner nicht entgegen, dass das Entgelt (nur) ein „Steuerungsinstrument“ für die gleichmäßige Hallenbelegung sei. Denn selbst wenn dem so wäre, würde der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der von der Stadt erbrachten Dienstleistung und der Gegenleistung nicht entfallen.

Nach Auffassung des EuGH reicht allein die „Asymmetrie“ zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen in Gestalt eines Kostendeckungsgrades von 3 % nicht aus, um das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszuschließen und die Unternehmereigenschaft zu verneinen

d) Allerdings reicht das Vorliegen einer gegen Entgelt erbrachten Dienstleistung für die Feststellung einer wirtschaftlichen Tätigkeit (allein) nicht aus. Daher sind alle Umstände zu prüfen, unter denen die Tätigkeit erfolgt ist.

Die wirtschaftliche Tätigkeit der Stadt war nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das von ihr erhobene Entgelt nur einen geringen Teil der Kosten deckte. Der Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem zu entrichtenden Gegenwert wies die erforderliche Unmittelbarkeit auf, um diesen Gegenwert als ein Entgelt für diese Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 MwStSystRL ansehen zu können, weil die Leistung am allgemeinen Markt angeboten wurde, das Entgelt marktüblich war und von der tatsächlichen Nutzungsinanspruchnahme abhing.

aa) Die Stadt hatte mit der Überlassung der Sporthalle an Vereine eine Leistung auf dem allgemeinen Markt angeboten. Vorliegend hatte die Stadt eine Sporthalle errichtet, um diese neben dem Schulsport an Dritte gegen Entgelt zu überlassen. Insoweit entsprach ihre Tätigkeit dem Bild eines am Markt teilnehmenden Unternehmers.

bb) Das von der Stadt erhobene Entgelt in Höhe von 1,50 € je Stunde und Hallenteil war zudem angemessen und für (gemeindeeigene) Mehrzweckhallen allgemein üblich. Es entsprach der in den Nachbargemeinden durchgeführten Praxis und wurde auch von der Gemeindeprüfungsanstalt nicht beanstandet.

b) Eine mögliche Steuerfreiheit für „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“ nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL stand im Streitfall dem Vorsteuerabzug der Stadt nicht entgegen. Denn diese Steuerbefreiung wird im nationalen Recht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nur für sportliche Veranstaltungen umgesetzt. Eine derartige Veranstaltung lag, da die Stadt sich nicht auf einen Anwendungsvorrang des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSyStRL berufen hatte, nicht vor.

5. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs durch die Stadt war auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Zwar kann der Vorsteuerabzug zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden. Die Stadt hatte aber keinen Sachverhalt künstlich geschaffen hat, allein um sich einen Steuervorteil zu verschaffen.

Bundesfinanzhof vom 28.06.2017 – XI R 12/15 –