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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Wolfsburg (SID) Keine düsteren Wolken – Hansi Flick verbietet sich den Gedanken an ein baldiges Scheitern als Bundestrainer.

Hansi Flick war voller Tatendrang. Der angezählte Bundestrainer betrat den Rasenplatz in Wolfsburg mit seiner roten Trillerpfeife um den Hals zwölf Minuten vor dem offiziellen Trainingsstart. Der 58-Jährige weiß nach den seit Monaten besorgniserregenden Auftritten der Fußball-Nationalmannschaft, was die Stunde geschlagen hat. Mit einem möglichen Rauswurf beschäftigt er sich trotz des enormen Drucks aber (noch) nicht.

„Das wäre kein guter Ratgeber. So kann ich doch nicht in die Spiele gehen“, sagte Flick dem RedaktionsNetzwerk Deutschland vor der Revanche gegen den WM-Schreck Japan am Samstag (20.45 Uhr/RTL) und der Hammeraufgabe gegen Vize-Weltmeister Frankreich drei Tage später in Dortmund (21.00 Uhr/ARD). Neun Monate vor der Heim-EM denkt er viel lieber an das Sommermärchen 2006 zurück. „Im Jahr der Heim-WM lautete noch im März eine Schlagzeile: Schwarz-rot-goldene Flaschen! Drei Monate später hieß es: Jetzt sind wir alle schwarz-rot-geil!“

Doch richtig geil sind die Fans derzeit nicht auf den viermaligen Weltmeister. Daher will die DFB-Auswahl verloren gegangenen Kredit zurückgewinnen. „Wir müssen die Nation wieder hinter uns bekommen und Aufbruchstimmung erzeugen“, sagte Robin Gosens und fügte mit Blick auf den angeschlagenen Flick an: „Wir stehen beim Trainer in der Schuld.“

Dieser musste aber noch vor der Einheit im strahlenden Sonnenschein am Mittellandkanal einen Rückschlag verkünden. Niclas Füllkrug reist am Donnerstag aufgrund seiner Probleme mit der linken Oberschenkel-Rückseite zurück zu seinem Klub Borussia Dortmund. Der Torjäger fällt damit für das Japan-Spiel aus, für einen Einsatz gegen Frankreich bestehe eine „kleine Möglichkeit“, so Flick. Dafür stieß der Münchner Jamal Musiala nach seinem Muskelfaserriss am Dienstag zum Team. Daher wird es eine weitere Nachnominierung neben Thomas Müller (Bayern München) nicht geben.

Flick hat nach nur vier Siegen in den vergangenen 16 Länderspielen das Ende aller Experimente ausgerufen. „Die Ergebnisse, die wir erzielt haben, dürfen so nicht passieren“, sagte Flick. Es müsse sich vor allem die Art und Weise ändern, wie die Mannschaft auf den Platz gehe: „Wir wollen, dass sie gemeinsam fightet. Auch die Fans wollen sehen, dass die Mannschaft anfängt zu kämpfen und sich wehrt.“

Erste Fortschritte will Flick am Mittwoch bei einem internen Test hinter verschlossenen Toren gegen die eigene U20 sehen. Auch seine Vorgesetzten schauen in diesen Tagen genau hin, auch wenn Rudi Völler noch um Verständnis für Flick warb. „Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber der Respekt vor dem Amt und der Person des Bundestrainers sollte da sein“, sagte der DFB-Sportdirektor.

Doch wenn es gegen Japan eine weitere Niederlage geben sollte, dann dürfte es für Flick richtig eng werden. Diesen Gegenwind müsse man ertragen, so Völler: „Jeder Fan, jeder Experte hat eine eigene Idee. Ich musste das damals aushalten, Hansi muss es heute.“

Besonders Chefkritiker Matthias Sammer legte zuletzt den Finger in die Wunde. Der deutsche Fußball sei am Boden und befinde sich in seiner größten Krise. „Er ist mit seinen Aussagen oft sehr direkt, manchmal überzeichnet er auch ganz bewusst. Aber: Mit vielen Dingen hat er auch recht“, sagte Völler.

Auch Flick schätzt Sammers klare Worte: „Es ist nicht immer bequem, aber immer gut, einen solch kritischen Geist dabei zu haben“, sagte der Bundestrainer. Wohl wissend, dass die Kritik noch weiter zunehmen könnte.